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balaton-service.info - Das Forum für Ungarn / A k t u e l l e s / Was man gerade erfahren hatt / Zur ungarisch - slowakischen Geschichtsbewältigung
In diesem Thread befinden sich 1 Posts.
kleck
icon01.gif Zur ungarisch - slowakischen Geschichtsbewältigung - 07.07.2008, 08:26:20

Gast
18.03.2008

Neuer Blick auf die gemeinsame Geschichte

Eine slowakisch- ungarische Historikerkommission soll Verhältnis zwischen beiden Ländern verbessern
In der Slowakei stellen die Ungarn die größte nationale Minderheit. Rund 520.000 Menschen haben ungarische Wurzeln. Die gemeinsame Vergangenheit beider Länder sorgt allerdings bis heute immer wieder für böses Blut zwischen Ungarn und Slowaken, denn beide Seiten interpretieren die Geschichte anders. Jetzt soll eine Historiker- Kommission auf die Suche nach Gemeinsamkeiten gehen. Ein heikles Unterfangen, weiß Kilian Kirchgeßner.

Natürlich sollten wir allmählich eine gemeinsame Auslegung finden für die größten Konflikte der Vergangenheit, aber ich fürchte, dass dafür nicht einmal in der Geschichtswissenschaft der Boden bereitet ist. In der Öffentlichkeit wird die Problematik schon gleich gar nicht reflektiert.

Reichlich verbittert ist Rudolf Chmel, wenn er an die Beziehungen zwischen der Slowakei und dem Nachbarland Ungarn denkt. Chmel ist Slowake und gilt als renommiertester Ungarn-Forscher des Landes. Gleich nach der politischen Wende war er Botschafter der damaligen Tschechoslowakei in Budapest, später wurde er zum Kulturminister ernannt. Die gemeinsame Vergangenheit von Slowaken und Ungarn hat ihn auf allen diesen Posten beschäftigt. Vor allem die unterschiedliche Lesart der Geschichte sorgt zwischen beiden Ländern für Streit: Das jüngste Beispiel ist der Friedensvertrag von Trianon, mit dem nach dem 1. Weltkrieg große Teile des früheren Ungarns zur Tschechoslowakei geschlagen wurden. Für die meisten Ungarn bedeute Trianon bis heute eine Erniedrigung. Für die Slowaken hingegen sei es die Geburtsstunde der Nation, sagt Rudolf Chmel.

Es ist deshalb unwahrscheinlich schwer, die Geschichte von Ungarn und Slowaken in eine gemeinsame Form zu gießen. Diese Geschichte könnte nur von einem einzigen Historiker allein geschrieben werden. Sobald zwei Leute daran sitzen, werden sie nur schwerlich einen gemeinsamen Nenner finden.

Eine neue politische Initiative will jetzt das Unmögliche möglich machen: Ungarn und die Slowakei haben eine gemeinsame Historikerkommission einberufen und den Wissenschaftlern eine eindeutige Aufgabe mit auf den Weg gegeben: Ein gemeinsames Schulbuch soll entstehen, das im Unterricht auf beiden Seiten der Grenze eingesetzt werden kann und Verständnis für die jeweils andere Position wecken soll. Vorsitzender der historischen Arbeitsgruppe ist Stefan Sutaj von der slowakischen Akademie der Wissenschaften.

Es ist nicht unbedingt nötig, dass sich die Meinungen in dem Buch komplett angleichen. Deshalb wollen wir kleine Resumees aufnehmen. Darin können die Autoren zusammenfassen, in welchen Punkten sich die Meinungen ähneln und auch, wo sie sich diametral entgegen stehen.

Es ist nicht der erste Versuch, zwischen Ungarn und Slowaken zu einer versöhnlichen Geschichtsschreibung zu finden. In der Vergangenheit sind erste Initiativen allerdings schon früh gescheitert - die Beteiligten konnten sich auch nach langen Verhandlungsrunden nicht auf einen gemeinsamen Text verständigen. Dass die Regierungen gerade jetzt einen neuen Anlauf nehmen, ist nicht ganz zufällig: Seit in der Slowakei vor anderthalb Jahren eine neue Koalition unter Beteiligung von Rechtspopulisten an der Macht ist, hat sich der Ton zwischen Budapest und Bratislava deutlich verschärft. Das gemeinsame Schulbuch soll die Debatte wieder versachlichen. Eine optimistische Zielvorgabe, denn noch steht nicht einmal das Grundgerüst für das Schulbuch. Wie hart das Ringen um den richtigen Wortlaut noch werden könnte, deutet der Ungar Lazslo Szarka an, der ebenfalls in der binationalen Historiker-Kommission sitzt.

Fast jedes beliebige Ereignis, fast jede Person, jede Stadt und jedes Symbol bedeutet etwas anderes für die slowakische und für die ungarische Nationalgeschichte.

Ob beide Länder jemals zu einer gemeinsamen Geschichtsschreibung finden, ist deshalb ausgesprochen umstritten. Vielleicht aber sei so viel Einigkeit auch gar nicht nötig, meint Rudolf Chmel, der Ungarn-Wissenschaftler und frühere Diplomat. Wichtig sei schließlich vor allem, wie man mit den historischen Geschehnissen umgehe.

Wir sollten den Ungarn nicht sagen, wie sie ihre Geschichte unterrichten sollen. Wenn beide Länder eine jeweils eigene Interpretation der Vergangenheit pflegen, ist das nicht schlimm, so lange diese Interpretation auf einer wissenschaftlichen Grundlage basiert. Sobald aber nationale Mythen und volkstümliche Verklärungen hineinspielen wird es gefährlich. Und sowohl in Ungarn als auch in der Slowakei gibt es einen starken Hang dazu, die Geschichte national zu färben.

Innerhalb eines Jahres soll jetzt das neue Schulbuch entstehen. Ob es tatsächlich zum Standardwerk im Unterricht wird, ist allerdings noch nicht entschieden. Auf slowakischer Seite gibt man sich noch zurückhaltend, schließlich, so heißt es im Bildungsministerium, müsse man sich das Buch erst einmal anschauen.

Quelle: DLF
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