balaton-service.info - Das Forum für Ungarn Forum

Übersicht
 
Anmelden
 
Suchen
 
Hilfe
 
Top-User
 
Login
 
balaton-service.info - Das Forum für Ungarn / A k t u e l l e s / Was man gerade erfahren hatt / Reaktor soll mit dubiosen Brennstäben laufen
In diesem Thread befinden sich 1 Posts.
piccolino
icon01.gif Reaktor soll mit dubiosen Brennstäben laufen - 24.08.2008, 19:45:36

816 Posts - Einbürgerungswilliger
leben u. leben lassen
BULGARISCHES AKW
Reaktor soll mit dubiosen Brennstäben laufen
Von Marion Kraske, Wien

Ein bulgarischer Atomphysiker erhebt schwere Vorwürfe: Im staatlichen Atomkraftwerk in Kosloduj sollen falsche Brennstäbe verwendet worden und damit bewusst ein erhöhtes Sicherheitsrisiko in Kauf genommen worden sein. Die Staatsanwaltschaft in Sofia ermittelt.

ANZEIGE
Wien – Georgi Kotev ist erschöpft. Er wirkt gehetzt, wenn er spricht, wandert sein Blick rastlos umher. Es ist 13 Uhr am Mittag, Kotev sitzt im Wiener Cafe Central. Auf den ersten Blick sieht der Bulgare aus wie ein harmloser Tourist, er trägt ein orangefarbenes T-Shirt, einen schwarzen Rucksack, sein Kopf ist kahlrasiert. Doch der drahtige Mann mit der Figur eines Marathonläufers ist nicht auf Erholungstour. Er hat in seiner Heimat einen Skandal losgetreten, der ihn in eine missliche Lage gebracht hat. Seinen Urlaub nutzte er dazu, um in der Donau-Metropole unterzutauchen. In Bulgarien, sagt er, fühle er sich nicht mehr sicher.


AKW KOSLODUJ: GEFÄHRLICHE EXPERIMENTE MIT KERNBRENNSTOFF
Fotostrecke starten: Klicken Sie auf ein Bild (3 Bilder)



Kotev hat Brisantes zu erzählen. Um sich Gehör zu verschaffen, bemühte der 43-Jährige jüngst das Internet, per Videobotschaft, auf YouTube, erhob er schwere Vorwürfe, gegen seinen ehemaligen Arbeitgeber, das 200 Kilometer nördlich der Hauptstadt gelegene staatliche AKW in Kosloduj. In Kotevs Botschaft geht es um einen schlimmen Verdacht: um unverantwortliche Schlampereien, um gefährliche Geschäftemacherei, um korrupte Netzwerke.

Kotev ist Atomphysiker, seit 17 Jahren arbeitet er in dem AKW, das 1974 mit sowjetischer Technologie gebaut wurde. Er studierte einst in Moskau, in Kosloduj war er bislang für die Überprüfung der Qualität der Brennstäbe zuständig. Und genau die sind seiner Meinung nach das Problem.


Im Oktober 2004, erzählt Kotev, habe die Reaktorleitung die alten Brennstäbe aus russischer Produktion vom Typ TVSM durch neue, TVSA genannte, ersetzt. Bei den neuen aber stimmten die im Sicherheitsbericht vorgeschriebenen Brenneigenschaften nicht mit den tatsächlich gezeigten überein. Anders ausgedrückt: Für den tatsächlich genutzten Brennstoff gebe es keinerlei Papiere und damit auch keinerlei Sicherheitsdokumente, in denen man, etwa im Ernstfall, ablesen könne, wie das Brennmaterial exakt reagiere.

Neue Brennstäbe, falsche Dokumente

Ein klarer Verstoß gegen internationale Richtlinien, sagt Kotev, und wiegt bedeutungsschwer den Kopf. Und eine Gefährdung obendrein: Durch abweichende Brenneigenschaften gebe es ein erhöhtes Sicherheitsrisiko.

Durch Kotevs Enthüllungen alarmiert ist die bereits seit der Wendezeit aktive Umweltorganisation "Ekoglasnost". Sie hat inzwischen bei der Generalstaatsanwaltschaft in Sofia eine Anzeige eingebracht und fordert, die Vorgänge im AKW überprüfen zu lassen.

Der bulgarische Premierminister Sergej Stanischev wähnt derweil hinter den Vorwürfen eine "internationale Verschwörung gegen die Atomkraftnutzung" in seinem Lande.


MEHR ÜBER...
Kosloduj Georgi Kotev Bulgarien Atomkraftwerk Brennstab Ekoglasnost
zu SPIEGEL WISSEN Dennoch – die Abweichungen der Brenneigenschaften bei den neuen Brennstäben räumt auch er ein. Die Reaktorleitung selber spricht von einer Abweichung von acht Prozent gegenüber den alten Brennstäben - erlaubt, so Kotev, seien lediglich drei. Und auch die zuständige Atombehörde spricht von Differenzen, bestreitet aber jegliches Risiko. "Es besteht kein Problem mit der Sicherheit des neuen Nuklearbrennstoffs", sagt deren Chef Sergej Tsotschev.

Doch sind Abweichungen der Brennstoffparamenter bei den für ein AKW lizenzierten Werten tatsächlich so unbedenklich, wie die bulgarischen Behörden glaubhaft machen wollen? Experten bezweifeln das. Sämtliche Änderungen der genehmigten, rechnerisch und experimentell ermittelten Parameter, sagt etwa Wolfgang Kromp vom Institut für Risikoforschung der Uni Wien, könnten vor allem bei Störfällen zu fatalen Konsequenzen führen. Beispielsweise wenn der Reaktor schnell abgeschaltet werden müsse. In solchen Situationen müsste die Reaktion des Brennstoffs exakt vorhersehbar sein – dies sei eine notwendige Voraussetzung für eine funktionsfähige Reaktorsteuerung.

Gefährliche Abweichungen

Warum aber arbeitet das AKW mit den nicht lizenzierten Brennstäben? Womöglich spiele Russland als Lieferant der Brennstäbe eine Rolle, glaubt Kotev. Moskau könnte die Anlage der Bulgaren nutzen, um - ohne Genehmigung – neuartige Brennstäbe zu testen. Vieles deute drauf hin, dass die Russen im schlimmsten Falle gar nur recyceltes Uran lieferten, das Beimengungen schädlicher Uranisotope enthält.


ZUM THEMA AUF SPIEGEL ONLINE
Zwischenfälle in Frankreichs AKW: Der Atomkraft-Weltmeister wankt (08.08.2008)
Slowenisches AKW: Erhöhte Strahlungswerte am Tag vor dem Störfall (05.06.2008)
AKW-Zwischenfall in Slowenien: Atom-Alarm, ein Fax und viel Verwirrung (05.06.2008)Hinter allem aber wähnt Kotev knallharte finanzielle Interessen. Der Betrieb der beiden aktiven Reaktoren, so seine Vermutung, könnte von einem mafiösen Netzwerk dazu genutzt werden, Millionen illegal beiseitezuschaffen. Im konkreten Fall würde dann die Preisdifferenz zwischen den deklarierten und tatsächlich verwendeten Brennstäben in "private Kassen" wandern.

"Ekoglasnost" fordert auch in diesem Punkt Klarheit von der Staatsanwaltschaft. Sollten sich die Vorwürfe bestätigen, stünde Bulgarien erneut am Pranger. Das organisierte Verbrechen hat den EU-Newcomer nach wie vor fest im Griff, Brüssel ist alarmiert. Erst vor wenigen Wochen kritisierte die EU, wieder einmal, die ausufernde Korruption in dem Balkanland und stoppte kurzerhand Strukturhilfen in Millionenhöhe.

Gefährliche Kritik

Derweil hat die AKW-Leitung ihrerseits eine Anzeige bei der Staatsanwaltschaft eingebracht, gegen Kotev - wegen des Verrats von Betriebsgeheimnissen. Kotev ficht das nicht an, er will weiter dafür kämpfen, dass die aus seiner Sicht dubiosen Vorgänge in Kosloduj auf den Prüfstand kommen. Vorerst jedenfalls will er nicht in seine Heimat zurück. Die Behörden hätten es abgelehnt, für seine Sicherheit zu garantieren, sagt er.

Aus Angst, ihm könnte etwas passieren, haben Bürgerrechtler inzwischen ein Komitee zum Schutz von Georgi Kotev gegründet, aus gutem Grund: Die bulgarische Atomwirtschaft gilt als explosives Terrain. Atomkraftgegner berichten immer wieder von Einschüchterungsversuchen. Und auch die Akteure selbst leben gefährlich, zweimal kam es bereits zu Mordfällen, zuletzt im April dieses Jahres, als ein Manager aus der Branche getötet wurde, niedergestreckt mit zwei Schüssen in den Kopf.

Mitarbeit: Christian Geiselmann

http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/0,1518,573822,00.html
Ich liebe das Leben
Forum wechseln
Forum wechseln zu:
-- pForum 1.29a / © Thomas Ehrhardt, 2000-2006 --
analyticstracking.php