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balaton-service.info - Das Forum für Ungarn / A k t u e l l e s / Was man gerade erfahren hatt / Enteignungen in Spanien | ||||
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8711 Posts - Magyar Vagyok Kocsis | Enteignungen in Spanien Dein Haus ist dann mal weg Von Leo Wieland, El Saler Wie errichtet, so vernichtet: Ein Bulldozer zerstört ein Haus auf Teneriffa Manfred Stier hat Grund zu fürchten, dass eines nicht allzu fernen Tages eine spanische Abrissbirne an sein Fünfsternehotel am Strand von Valencia klopft. Der deutsche Hotelier, der seit mehr als einem Vierteljahrhundert sein Haus in einem Naturschutzpark betreibt und sich auch an der Maniküre der aufgeschütteten Dünen zwischen dem Sandstreifen und seiner Gartenmauer beteiligte, hat plötzlich nach Beschluss der Behörden zu nah am Wasser gebaut. Der Brief des Umweltministeriums, der am 4. Juli einging, kam wie ein Blitz aus heiterem Himmel. Aus ihm erfuhr der Präsident der Sidi-Gruppe, dass das Anwesen in El Saler, das ordnungsgemäß erworben, ins Grundbuch eingetragen und versteuert wurde, jetzt auf öffentlichem Gelände stehe und dem Staat gehöre. Dieser hat, auf der Grundlage des 1988 verabschiedeten Küstenschutzgesetzes, einfach eine neue Grenzlinie zwischen öffentlich und privat gezogen. Verlief sie früher vor dem Hotel, so liegt sie nun dahinter. Auch einen Steinwurf von der palmenbestandenen Luxusoase entfernt ist in der kleinen Siedlung La Casbah unvermittelt hinten vorne. Dort stehen etwa 80 keineswegs protzige Häuser spanischer und ausländischer Mittelständler – wenn man einen wohlhabenden Fußballspieler und einen Harvard-Professor nicht mitrechnet. Doch auch sie sind alle von der unerwarteten Umdefinition ihres Grundbesitzes zu öffentlichem Gelände betroffen. Zu ihnen gehören die französische Sprachlehrerin Martine Lavergne und ihr spanischer Mann Juan Miguel Terradez ebenso wie der pensionierte britische Ingenieur Clifford Carter und seine spanische Frau María José Ruiz Giner, von deren Eltern das Paar seine schmucke Finca geerbt hat. Zum Thema * Mit der Immobilienkrise fing es an: Spanien und die Finanzkrise * Deutsche Hausbesitzer blicken neidvoll ins Ausland * La Mancha: Die beiden Spanien sind versöhnt Ein Stück von der Casbah entfernt steht wiederum ein Parador Nacional – so heißen die staatlich betriebenen Hotels in oft historischen Gemäuern –, der einst noch etwas näher am Wasser entstand als das Hotel der deutschen Kommanditgesellschaft. Dessen Direktor erhielt jedoch keinen Enteignungsbrief aus dem Umweltministerium, sondern nach Vermittlung des Tourismusministeriums nur die Mitteilung, dass man in diesem Fall die neue Grenzlinie einfach um den Parador herumgezogen habe, so dass dort alles beim Alten bleibe. Das wäre streng genommen gar nicht nötig gewesen, weil die Paradores ohnehin dem Staat gehören. Das Ziel: freier Zugang der Allgemeinheit zu allen Stränden Was ist los an den iberischen Stränden? Warum zittern plötzlich, von der Costa Brava an abwärts bis zur Atlantikküste aufwärts – Portugal ausgenommen – und nebenbei noch von den Balearen bis zu den Kanaren, einheimische und auswärtige Eigentümer um ihre Häuser? Warum ist in einigen spektakulären Fällen der Bulldozer schon gekommen und hat hier ein Restaurant und dort eine Villa oder auch bloß eine Hütte plattgewalzt? Sind militante Grüne in der Madrider Regierung und Justiz nach Jahrzehnten wilder und allseits profitabler Betonierung des Meerblicks über Nacht zu Amokläufern geworden? Nicht ganz, denn hinter dem Küstenschutzgesetz stecken lauter gute Absichten. Im Kern geht es um Löbliches: den freien Zugang der Allgemeinheit zu allen Stränden, den Umweltschutz und die Sicherheit der Bürger, falls im Zuge der Klimaerwärmung der Meeresspiegel gefährlich steigen und die Anwesen der Anlieger einfach wegschwemmen sollte. Dagegen wäre nicht viel einzuwenden. Kann man ein Gesetz rückwirkend anwenden? Die Zweifel und Proteste gelten aber den Methoden, mit denen die nicht gerade glasklar definierten Regeln selektiv durchgesetzt werden, und den Fragen: Kann man ein Gesetz rückwirkend anwenden? Kann man ohne angemessene Entschädigung enteignen? Wo ist hier die Rechtssicherheit? Und dann kommen noch ein paar andere Fragen nach einer möglichen „versteckten Agenda“ der Politiker hinzu, wenn der Staat sich vorbehält, auf dem Streifen gegebenenfalls selbst neue Siedlungen oder sonst etwas zu bauen. Im Spanien der Bauskandale, der Spekulation, der Korruption unter Lokalpolitikern aller Couleur und in allen Regionen sowie der gerade geplatzten Immobilienblase leuchtet nicht jedermann ein, dass hinter den hehren Zielen des Küstengesetzes ausschließlich menschen- und naturfreundliche Motive stecken. Und die Eigentümer, die selbst mit Liebe und Engagement ihre Gärten gehegt und den Strand sauber und zugänglich zu halten halfen, sind davon schon gar nicht überzeugt. Erboste Hausbesitzer schließen sich zusammen Sie haben inzwischen als Bürgerinitiative eine Protestplattform gegründet, der schon 20.000 ebenso ratlose wie erboste Hausbesitzer angehören. An den 7880 Kilometern spanischer Küste, von denen ein Viertel Strände sind, dürften im Zug der erst begonnenen neuen Grenzziehungen noch viele dazukommen. Die Schätzungen reichen bis zu einer halben Million Familien – 85 Prozent Spanier und die übrigen Ausländer vor allem aus dem regnerischen Nordeuropa. Am stärksten sind bislang britische Staatsbürger tangiert, was zu Druck auf die Londoner Regierung und Diplomatie geführt hat. Eine „deutsche Welle“ könnte folgen, denn die in ein Kulturzentrum verwandelte Strandburg des Darmstädter Urbanisten Thomas Müller auf La Gomera, das Reihenhaus der Wiesbadenerin Nordhild Köhler auf Formentera oder die Bleibe der Frankfurterin Gabriele Schmid im letzten kanarischen Fischerdorf auf La Palma sind längst keine bedrohten Einzelfälle mehr. Die EU hält sich zurück Weil die EU-Partnerregierungen sich hier auf einem schmalen Grat zwischen Interessenvertretung ihrer Staatsbürger und Nichteinmischung in innere Angelegenheiten Spaniens bewegen, haben sich ihre Interventionen bislang in mehr oder minder diskretem Rahmen bewegt. Die Plattform der Geschädigten hat daher den Blick auf Brüssel gerichtet, sich bei der Europäischen Kommission beschwert und vor kurzem auch erfolgreich eine Petition beim Europäischen Parlament in Straßburg eingereicht. In Spanien wandte man sich an den „defensor del pueblo“ (Ombudsmann) und an die zuständigen Ministerien der sozialistischen Regierung von Ministerpräsident José Luis Rodríguez Zapatero. Seit er im Madrider Moncloa-Palast residiert und seit sich in der ersten Legislaturperiode die ausgesprochen grüne – inzwischen aus dem Kabinett ausgeschiedene – Umweltministerin Cristina Narbona der Sache annahm, ist nach windstillen Jahren Schwung in die Verwirklichung des Küstengesetzes gekommen. Der Wasserstand lässt viel Spielraum für die Grenzziehung Dabei ist es an entscheidender Stelle missverständlich formuliert. Grundsätzlich soll es künftig einen 500 Meter breiten Küstenstreifen mit drei unterschiedlichen Schutzzonen geben. Der Hauptzankapfel ist die erste, die „staatliche Strandzone“. Die entsprechende Grenze soll dort gezogen werden, wohin, über Sand und Dünen hinweg, die Meereswellen bei gewöhnlicher Flut oder auch Sturmflut gelangen können. Das gibt den Inspektoren des Ministeriums und seinen örtlichen Grenzziehungsbeauftragten in der Praxis offenbar viel Spielraum zwischen Wasserstand bei Sommergewitter oder Tsunami. Und wenn, wie im Fall von La Casbah, der Ausbau des nahen Hafens von Valencia binnen weniger Jahre durch Erosion die Hälfte des alten Strandes „weggefressen“ hat, dann stehen die Anwohner plötzlich ohne ihr Zutun in noch kürzeren Hosen da. Entschädigung gibt es nicht Nun wird nicht sofort und nicht überall enteignet. Das Gesetz sieht vielmehr als Übergangslösung vor, dass die legalen alten Eigentümer – in einer Grauzone illegal errichteter Häuser sieht es anders aus – einen Antrag stellen können, in der „staatlichen Strandzone“ weitere 30 Jahre lang zu wohnen und vielleicht sogar noch eine Verlängerung zu erwirken. Sie können ihr Haus aber weder verkaufen noch vererben. Sie dürfen daran auch nichts baulich verändern und brauchen sogar für Renovierungen eine Sondergenehmigung. Und sollte der Besitz eines Tages abgerissen werden, gibt es vom Staat eines bestimmt nicht: eine Entschädigung. Spanien, dessen Haushaltsüberschuss gerade durch die Wirtschaftskrise weggeschmolzen ist, könnte sich im Übrigen auch das Zahlen von Schadensersatz in solchen Dimensionen gar nicht leisten. Den Hotelier Stier erinnert dieses Verfahren an einen staatlichen Leviathan, der einem Autobesitzer sagt: „Du darfst deinen Wagen noch eine Weile weiterfahren und betanken, aber nicht reparieren oder verkaufen. Und eines Tages nehmen wir dir das Fahrzeug weg.“ „Sozial Schwache“ die ersten Enteignungsopfer Diese Aussichten haben den Rechtsanwalt José Ortega aus Valencia, der die Protestplattform vertritt, auf die Barrikaden getrieben. Der bedächtige Mann, der nichts gegen das Küstengesetz, aber alles gegen seine missbräuchliche Anwendung hat, ist durch sein Engagement schon zum Lieblingsfeind des Nationalen Gerichtshofes geworden, der neben den örtlichen Verwaltungsgerichten bei Einsprüchen zuständig ist. Aber trotz Teilerfolgen bei Einzelkorrekturen der Grenzziehung heißt es in Madrid unbeeindruckt: „Gesetz ist Gesetz.“ Und auch das spanische Verfassungsgericht hat es mit mehreren Entscheidungen inhaltlich unversehrt aufrechterhalten. Vergangene Woche hatte Ortega, den es besonders ärgert, dass die ersten Enteignungsopfer „sozial Schwache“ waren, die sich keinen Anwalt leisten konnten, einen Termin im Umweltministerium bei der Generaldirektorin für die Erhaltung der Küste, Alicia Paz Antolín, und dem Generalsekretär für das Meer, Juan Carlos Martín Fragueiro. Er hatte im Anschluss das Gefühl, ein paar Denkanstöße gegeben zu haben. Aber darüber hinaus kam es vorerst nur zu der Absichtserklärung, weiter einen „Dialog“ zu führen. So setzen zum Beispiel die Hausbesitzer um Valencia noch auf die tätige Einsicht der ersten stellvertretenden Ministerpräsidentin María Teresa Fernández de la Vega, die dort ihren Wahlkreis und bei der letzten Abstimmung nicht gerade glänzend abgeschnitten hat. Anderswo unterstützen Bürgermeisterämter die Besitz- und Bleibeinteressen ihrer Gemeindemitglieder. Deutsche denken an Kafka, Briten an Orwell Wer an einem ruhigen Samstagmorgen durch die Casbah schlendert, hört Deutsche oder Holländer von einer „kafkaesken“ Situation und die Briten von „orwellschen“ Albträumen sprechen. Während seine Frau Familienalben mit den Fotos ihrer „enterbten“ Kinder aus den Sommerferien aufblättert, spricht Clifford Carter über das Fußballprinzip, dass man „nicht mitten im Spiel die Regeln ändern und die Torpfosten versetzen“ könne. Doch hier geht es nicht nur um subjektives Unrechtsempfinden, sondern um die schon spürbaren Folgen eines vielleicht noch zu korrigierenden Bulldozergesetzes. http://www.faz.net/s/RubCD175863466D41BB9A6A93D460B81174/Doc~E6ACE037C50D84113AA2E81C37FBD88AF~ATpl~Ecommon~Scontent.html Mark Twain sagte einmal: "Eine Lüge ist bereits dreimal um die Erde gelaufen, bevor sich die Wahrheit die Schuhe anzieht." |
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Gast | Wenn man aber die leserbiefe dazu liest,hört sich einiges auch ein wenig anders an,als wie der Verfasser des Artikels schreibt. ![]() |
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