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balaton-service.info - Das Forum für Ungarn / A k t u e l l e s / Was man gerade erfahren hatt / Buchbesprechung - Unter Taliban, Warlords und Drogenbaronen | ||||
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Gast | Unter Taliban, Warlords und Drogenbaronen Reinhard Erös, 1948 geboren, war Oberstarzt der Bundeswehr und lehrte an nationalen und internationalen Militärakademien Interkulturelle Kompetenz. Vor zwanzig Jahren ließ er sich von der Bundeswehr unbezahlt beurlauben und behandelte während des sowjetisch-afghanischen Krieges am Hindukusch Tausende von Menschen. Seine Frau baute derweil im benachbarten pakistischen Peschawar eine Schule für Flüchtlingskinder auf. Seit 2002 unterrichtet er NATO-Offiziere und deutsche Polizeibeamte und bereitet sie auf ihren Einsatz in Afghanistan vor. Erös plädiert jedoch keineswegs für den „Krieg gegen den Terror, sondern für zukunftsorientierte Hilfe, orientiert an den tatsächlichen Bedürfnissen in diesem von zwanzig Jahren Krieg gezeichneten Land. Reinhard Erös hat ein spannendes, persönliches aber auch sehr informatives Buch geschrieben. Persönlich, in dem er einzelne seiner afghanischen Freunde und langjährigen Weggefährten ihre eigene Lebensgeschichte erzählen lässt. Diese individuelle Lebenserfahrung fesselt, schafft Nähe, Verständnis und auch Sympathie für die Menschen in diesem geschundenen Land. Oft sehr persönlich auch die Schilderung der eigenen praktischen Arbeit im Rahmen der von Erös und seiner Familie gegründeten „Kinderhilfe Afghanistan“. Spannend im Erzählstil und informativ in der Beschreibung der Situation in Afghanistan, seiner jüngsten Geschichte und Gegenwart. Eindrucksvoll etwa die Lebensgeschichte Khazan Gul, dem nach einem erfolgreichen Studium der Mathematik und Physik in Frankfurt am Main, der Aufbau von Schulen und die Unterrichtung der Kinder seiner Heimat wichtiger war, als eine ihm offen stehende Karriere in Deutschland. Gul von drei afghanischen Regimes dreimal inhaftiert, wurde 2001 zum Erziehungsminister seiner Provinz gewählt. Er schildert die Enttäuschung darüber, wie nach all den Versprechungen über internationale Hilfe bei der Petersberg-Konferenz, statt der erhofften deutschen Hilfe etwa für die Lehrerausbildung, amerikanische Kampftruppen kamen, die lediglich ein großes Militärcamp für Tausende Soldaten aufbauten und seit Jahren in den Dörfern eine rücksichtslose Jagd auf vermeintliche Taliban-Kämpfer veranstalten. Willkürlich würden Personen verhaftet und in die US-Folterlager verschleppt. Der Hass der Bevölkerung gegen die amerikanischen Besatzer nehme täglich zu. Wenn von den Amerikanern etwas anderes kommt, als Krieg und Terror, dient dies ebenfalls nicht wirklich der Entwicklung des Landes. Zum Beispiel die von US-Präsident Bush international als „50 Millionen-Dollar-Lebensmittelhilfe“ der US-Regierung propagierte Lieferung von zehntausenden Tonnen Weizen. Eher eine „Hilfe zur Selbsthilfe“ für die US-Farmer. Der Weizen stammte aus deren, auf dem Weltmarkt praktisch unverkäuflichen Überproduktion und wurde deshalb von der US-Regierung als Stütze für die eigenen Farmer aufgekauft. Bush ließ sich für diesen „humanitären Akt“ feiern. Tatsächlich ruinierte er damit den gerade erst im Aufbau befindlichen afghanischen Weizenmarkt – gedacht auch als Alternative zur Schlafmohnproduktion. Die Bauern blieben wegen des US-Weizengeschenks auf ihrem Getreide sitzen, ihre monatelange Arbeit war umsonst. Außerdem hatten sie sich für den Kauf des Saatgut verschuldet. Im Jahr darauf bauten sie statt Weizen wieder Schlafmohn an. Überhaupt gedeiht der Mohnanbau und Umsatz unter der US-amerikanischen Schirmherrschaft vorzüglich. Wurden 2002 noch etwa 800 Tonnen Rohopium gewonnen, sind es 2007 rund 8.200 Tonnen. Rund 3,5 Millionen Einwohner Afghanistans (15 Prozent der Bevölkerung) leben Erös zufolge ausschließlich vom Schlafmohnanbau. In 21 der 34 Provinzen werde Schlafmohn angebaut. Die Zahlen zeigten: Seit die Bundeswehr im Rahmen von ISAF und OEF in Afghanistan eingesetzt ist, habe sich die Finanzierung des islamischen Terrorismus durch den Drogenanbau in Afghanistan verzehnfacht. Auch die Taliban-Schulen, wie die von Erös besuchte und im Buch beschriebene Kaderschmiede Haqqania im pakistanischen Ort Akora Khattak, brauchen sich über Nachwuchs keine Sorgen zu machen. Der tägliche Terror der US-Militärs in ihrem vermeintlichen „Krieg gegen den Terror“ sorgt für stetig wachsenden Zulauf. Reinhard Erös „Unter Taliban, Warlords und Drogenbaronen Eine deutsche Familie kämpft für Afghanistan“ 365 Seiten, März 2008, Verlag Hoffmann und Campe, 19,90 Euro, http://www.hintergrund.de/content/view/19/116/ |
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