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balaton-service.info - Das Forum für Ungarn / D i e s & D a s / Dies & Das / “Kann das Baby jetzt kommen?”
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Blasius
icon01.gif “Kann das Baby jetzt kommen?” - 26.03.2009, 09:47:18

8711 Posts - Magyar Vagyok
Kocsis
“Kann das Baby jetzt kommen?”

Seit Monaten sind die Vorbereitungen für das neue Baby in vollem Gange. Die meisten Dinge haben wir noch. Daher müssen Wickeltisch, Wiege und Laufstall nur wieder aufgebaut werden. Babysachen nach Geschlecht sortieren, waschen, einordnen und schnell noch ein paar Wintersachen besorgen. Das ist kein Problem, denn Baby- und Kinderbekleidungsläden gibt es zahlreiche in Budapest. “So haben wir jetzt alles erledigt. Könnte das Baby theoretisch jetzt kommen?” Fragt Philip.

Hm, mal nachdenken. Nein! Den Maxi Cosi entstauben und die Bezüge waschen. Außerdem haben wir keinen Kinderwagen. Wir wollen eine ausführliche Beratung auf Deutsch und außerdem führen die Läden in Budapest nicht die Marken die ich mir als anspruchsvolle Kundin ausgesucht habe. Also auf nach Wien zum Babyfachhändler! Nach drei Stunden aus- und wieder zusammen bauen haben wir unseren Kinderwagen und fahren zufrieden nach Hause. “Also, was wäre denn wenn das Baby jetzt käme? Haben wir jetzt alles?”

Ähm, wir sollten uns mal langsam auf den Namen festlegen! Schließlich wissen wir schon länger, dass es ein Junge wird. In Ungarn geboren, wäre ein ungarischer Name vielleicht ganz lustig. Die meisten Männer heißen Janos, gesprochen Janosch oder Sandor, gesprochen Schandor, die ungarische Kurzversion von Alexander. Alexander will ich nicht, Janosch mag ich nicht aber Sandor gefällt mir gut. Blöd nur, dass keiner in Deutschland den Namen richtig aussprechen wird. Die Verwandtschaft googelt eifrig nach ungarischen Namen und einigt sich auf Gabor. Meine Motivation einen ungarischen Namen zu finden schwindet merklich. Mal die Ohren spitzen, wie die kleinen ungarischen Kinder so heißen. Adam, Kristof und Tamas scheinen momentan sehr beliebt. Es gibt ja auch Eltern die ihre Kinder den Vornamen der Geburtshelfer geben. Mein behandelnder Arzt wird bei der Geburt dabei sein. Er heißt Arpad. Großfürst Arpad hat die sieben magyaren Stämme während der Landnahme vereint. Die Namen der anderen Fürsten werden auch gerne als Vornamen genommen. Aber ist das so das richtige für unser Kind? Schließlich werden wir Ungarn wieder verlassen. Ich sehe schon einen genervten Teenie vor mir der mit rollenden Augen sagt: “Mein Name ist Arpad Elöd Gabor Wyrwich. Meine Eltern meinten damals das sei lustig.” Nein, besser nicht. Also weiter Augen und Ohren aufhalten. Dann haben wir ihn endlich. Unseren Babynamen! “So, jetzt ist alles vorbereitet. Jetzt kann das Kind doch dann kommen, oder?”

Moment! Wo soll das Kind denn auf die Welt kommen? Am Anfang der Schwangerschaft hat mir mein Arzt die Hochglanzbroschüre einer Privatklinik in die Hand gedrückt. Das sah ganz gut aus und ich habe das Thema erstmal beiseite gelegt. Doch es wird Zeit sich ernsthaft mit der Geburt auseinanderzusetzen. Natürlich habe ich mich auch bei Bekannten über die normalen ungarischen Krankenhäuser informiert, aber die Antworten waren eher gemischt. Die medizinische Ausstattung ist gut, das medizinische Personal gut ausgebildet. Die Ausstattung in den eigentlichen Krankenzimmern allerdings vorsintflutlich. Für die Verpflegung mit Getränken und Essen sind in Ungarn die Kranken selber, also die Verwandten der Kranken zuständig. Das wollte ich erst gar nicht glauben und frage bei jedem Ungar den ich treffe immer wieder nach. Es gibt in der Regel einen Tee der nach Schweißfuß schmeckt, aber kein Wasser. Das war’s. Etwas beschämt denke ich daran zurück, wie ich mich bei Julias Wochenbett beschwert habe, weil es kein stillgerechtes sondern blähendes Gemüse zum Mittagessen gab. Wenigstens hatte ich etwas zu essen! Außerdem sei es üblich Ärzten, Schwestern und Reinigungspersonal eine Art “Trinkgeld” zu geben. Für eine Geburt liegt das alleine für den Arzt in Euro umgerechnet im dreistelligen Bereich. Da würde ich “Trink”- mal gleich durch “Schwarz-” ersetzen. Zumal mir die Geschichte einer Engländerin erzählt wurde, die noch nicht lange in Ungarn lebte, und von dieser kulturellen Eigenart nichts wusste. Darauf wurde angeblich ihr Zimmer nicht mehr gereinigt und der Arzt erschien nicht zur Visite, von den Schwestern wurde sie geschnitten. Eine Barzahlung konnte diese Dienstleistungsmissstände dann sofort beenden. Ob das nun nach dem System der stillen Post dramatisiert dargestellt ist oder nicht: Mein Vertrauen ist dahin. Unterhält man sich darüber mit Ungarn verstehen diese mein Problem gar nicht. Die Löhne im Gesundheitswesen sind ja auch ungerecht zu niedrig, und jeder zahlt halt immer etwas unter der Hand, das ist eben normal.

Wir erkundigen uns lieber, ob unsere Krankenversicherung den Aufenthalt in der Privatklinik vollständig übernimmt und machen uns für einen eigenen Eindruck auf nach Telki. Das ist eine sehr kleine Stadt neben Budapest. Der Weg ist ungünstig, wir müssen quer durch Buda und einen schmalen Waldweg entlang. Das gefällt Philip schon mal gar nicht. Bei Schneefall ist die Straße oft komplett gesperrt. Die Klinik selber ist sehr gepflegt und ruhig. Zwei Geburten in der Woche haben sie im Schnitt. Es gibt zwei Zimmer mit für mich eher abschreckenden Gebärbetten. Aber dann finde ich doch was ich suche. Ein drittes Zimmer ist ausgestattet mit Wanne, Sprossenwand, Seil und Ball. Auch das Stationszimmer macht einen guten Eindruck. Ein Einzelzimmer für mich, aber mit einem zweiten Bett für Besuch. Einer großen Fensterwand mit Blick auf den Wald, das Bad ist sehr modern und sauber, der Kleiderschrank geräumig. Ich bin zufrieden. Philip nicht. Das ist alles so ruhig wo sind die Ärzte und so. Ist das überhaupt ein richtiges Krankenhaus? Im Notfall wäre ein Kaiserschnitt jederzeit möglich, werden wir informiert, ein Brutkasten zur Erstversorgung für das Baby ist auch da. Bei schwereren Komplikationen müsste es dann in eine Kinderklinik verlegt werden. Wir müssen uns das erstmal durch den Kopf gehen lassen und entscheiden uns Tage später für eine Doppelstrategie. Im Normalfall die Privatklinik in Telki, bei massiven Schneeeinbruch oder Verdacht auf Komplikationen das nahe gelegene Krankenhaus mit Kinderklinik. Da kann man ein Einzelzimmer extra buchen, incl. Schweißfußtee.

Nach dem Besuch in Telki ist klar, dass wir noch lange nicht alles erledigt haben, und das Baby jetzt bitte noch nicht kommen sollte. Uns wurde ein Zettel in die Hand gedrückt mit einer Liste von Dingen die wir vorzulegen haben, um eine ungarische Geburtsurkunde zu bekommen. Wir müssen unsere Heiratsurkunde bei einem Amt ins ungarische übersetzen und beglaubigen lassen. Das geht wesentlich unkomplizierter als befürchtet. Die beglaubigte Übersetzung vom ungarischen Amt sieht mit Siegel und Kordel wesentlich schicker und wichtiger aus, als unsere originale Heiratsurkunde. Außerdem brauchen wir die Reisepässe. Dabei fällt mir ein, dass wir uns immer mal in der deutschen Botschaft anmelden wollten, das aber bisher nie getan haben. Das wäre wohl der Augenblick das nachzuholen. Wir brauchen unsere Abmeldebescheinigung aus Deutschland, um den Wohnsitz in Ungarn von der deutschen Botschaft in den Reisepass eintragen zu lassen und natürlich müssen wir einige Formulare ausfüllen. Dann stellen wir die eigentliche Frage. Wir sind Deutsche und bekommen in Ungarn ein Kind. Was müssen wir beachten?

Unser Kind wird automatisch mit der Geburt die deutsche Staatsangehörigkeit haben, weil wir deutsche Eltern sind. Die Ungarn haben ebenfalls das Erbrecht. Das heißt mit der Geburt in Ungarn bekommt unser Sohn keine ungarische Staatsbürgerschaft, weil er keine ungarischen Eltern hat. Das hört sich erstmal simpel an, ist es aber nicht. Wir bekommen mehrere Merkblätter und Formulare. Erstmal könnte es sein, dass der in der ungarischen Geburtsurkunde eingetragene Name nicht dem deutschen Namensrecht entspricht. Wir können die Geburt unseres Sohnes in das Familienbuch im Standesamt der Eheschließung eintragen lassen, und über die deutsche Botschaft beim Standesamt I in Berlin eine deutsche Geburtsurkunde beantragen. Dafür brauchen wir zahlreiche Unterlagen, im Original und jeweils dreifacher beglaubigter Kopie. Einen Reisepass für das Kind sollten wir auch gleich mit beantragen, wird uns geraten. Das alles sollte nicht später als sechs Monate nach der Geburt gemacht werden. Wir sollen uns auf einen mehrstündigen Aufenthalt in der Botschaft einrichten und das Baby selbst muss mit dabei sein. Das Letzte nervt mich schon etwas, aber grundsätzlich waren alle sehr nett und hilfsbereit in der Botschaft.

Somit wären auch die nötigen Formalitäten erledigt, vorerst zumindest. Die Kliniktasche ist gepackt. “Das Baby kann kommen!” verkünde ich feierlich, während draußen Schneefall einsetzt. Ok, vielleicht nicht jetzt sofort..

Entnommen aus: http://www.miovista.de/europaweit/budapest/blog/
Mark Twain sagte einmal:
"Eine Lüge ist bereits dreimal um die Erde gelaufen, bevor sich die Wahrheit die Schuhe anzieht."
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