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balaton-service.info - Das Forum für Ungarn / Sehenswertes, Kultur, Kneipenführer / K n e i p e n / Wieder ein Besuch im Gundel
In diesem Thread befinden sich 1 Posts.
Blasius
icon01.gif Wieder ein Besuch im Gundel - 04.07.2009, 11:10:22

8711 Posts - Magyar Vagyok
Kocsis
Überholen ohne einzuholen

Der Fluch der Legende: wieder ein Besuch im Gundel




Das Gundel bläst sich regelmäßig zum internationalen Spitzenlokal auf. Bei den Preisen gelingt das, beim Selbstbewußtsein auch, bei der Qualität aber längst noch nicht. Genauso regelmäßig schauen wir nach, was es für Verbesserungen zu vermelden gibt, um immer wieder verkünden zu müssen: der Kaiser ist immer noch nackt, maximal mit Lendenschurz.

Auch heutzutage ist ein Besuch im Budapester „Gundel“ mit überdurchschnittlichen Erwartungen verbunden, denn schließlich betritt man hier in der Nähe des Stadtwäldchens nicht irgend ein Nobel-Restaurant, sondern eine gastronomische Legende. Nun haben es Legenden so an sich, dass sie zwar einen wahren Kern ins sich tragen, alles andere drumherum aber im Laufe der Zeit verklärt wurde. Der Kern des „Gundel“ ist in seiner Lage, der Architektur und der Innenausstattung noch immer zu entdecken.



Weniger allerdings in der Realisierung jenes An- und Ausspruchs, den Ronald S. Lauder und Georg Lang (György Láng), ein in den USA lebender ungarischer Gastronom, als sie 1991 das Restaurant vom ungarischen Staat zurückkauften, so formulierten: „Wir wollen das Restaurant zu früherer Größe und in die Reihe Europas feinster und vornehmster Lokale zurückführen“. Ob es die frühere Größe wieder erreicht hat, können nur die beurteilen, die es in seinen Hoch-Zeiten unter Károly Gundel erlebt haben, als dieser das Lokal 1911 als 27jähriger übernahm. Und von den feinsten und vornehmsten Lokalen Europas ist das heutige „Gundel“ noch viele Meilen entfernt.

Nicht bei den Preisen, die hier verlangt werden, da hat es so manches Hauben- oder Sterne-Restaurant in der Welt bereits überholt, ohne es gastronomisch auch nur annähernd einzuholen. Die Preise aber scheinen es vor allem zu sein, (Hauptspeisen um und über 30 EUR), die hier das, was sich selbst für einen Gourmet hält, anzulocken scheinen. Gut, viele wollen auch nur erzählen, dass sie im Gundel brunchen oder lunchen waren, was in gewissen Kreisen immer noch beeindruckt, in besseren allerdings eher bloßstellt. Dann sollen sie halt zahlen für diesen "Ruhm". Schließen doch viele Besucher fälschlicherweise darauf, dass hinter einem halben ungarischen Monatlsohn für ein normales Dinner for Two etwas besonders Raffiniertes, etwas einmalig Köstliches, eben das ganz außergewöhnliche Erlebnis „Gundel“ stecken müsste.



Doch weit gefehlt: Hier kommt eine ganz normale, handwerklich immerhin gekonnt zubereitete Küche auf den Tisch, die man so (oder sogar noch besser) auch in anderen Mittel– und Hochpreislokalen der Stadt serviert bekommt. Zunächst fiel das Amuse geule etwas kläglich aus, sogar für eine "Visitenkarte aus der Küche". Entweder ein Begrüßungsfeuerwerk oder stecken lassen. Scampis und Jacobsmuscheln als Vorspeise. Letztere waren sehr schmackhaft zubereitet, die Scampis waren in Ordnung, die an sich feine Sauce durch Ungeschältes etwas herabgestuft. Eine Paprikasuppe, die mit einer roten Parika-Gloche serviert wurde, fiel sowohl optisch als auch geschmacklich positiv aus dem Rahmen. Nicht so die etwas unterkühlte Consommée mit Wachtelei. Eine Dorade, 35 Minuten in Butterbrotpapier gegart und mit profanen Petersilienkartoffeln garniert, bildeten den unaufgeregten Hauptgang, während das Steak mit einer schmalen Scheibe Gänseleber auf dem anderen Teller den Preis von um die 9.000 Ft. (über 30 Euro) nicht rechtfertigte. Aber auch hier, wie auf den anschließenden Gundel-Palatschinken trifft zu, dass ein guter Handwerker in der Küche arbeitet, aber kein kreativer Koch-Künstler die Zutaten verzaubert. Aber genau der Zauber macht den Unterschied. Zurück in die profane Wirklichkeit.

Der Gast zahlt die leeren Plätze mit

Der Service ist der Küche voraus: freundliche, aufgeschlossene mehrsprachige und unaufdringliche Kellner waren im Gundel vor noch nicht allzu langer Zeit die Ausnahme. Sie empfehlen passende und sehr schmackhafte ungarische Weine zur jeweiligen Speise, müssen allerdings passen, wenn man ein Bier vom Fass haben möchte. Solch proletarische Wünsche erfüllt man hier nicht. Ein solches „nincs“ reißt alle anderen Bemühungen wieder weit nach unten. Zumal das Einschenken aus der Dreher-Flasche ohne ästhetische Schaum-Blumen-Bildung geschieht. Und an Blumen fehlt´s sowieso im Revier. Außer ein paar verstaubter Kunstgestecke in der Mitte des Raumes, findet sich auf keinem der Tische dieses noblen Etablissements auch nur ein Blümchen. Wenn man bei unserem Besuch wenigsten die Tische damit geschmückt hätte, die besetzt waren, bräuchte man nur fünf bis sechs Stück, denn alle anderen Tische blieben den gesamten Abend über leer.



Das wird dann auch einer der Gründe sein, warum im „Gundel“ die Preise derart unverschämt hoch sind und von daher mit den Leistungen nicht übereinstimmen können: Der Gast zahlt quasi die leeren Plätze mit, denn die Betriebskosten dürften nicht gering sein. So gesehen wird dann auch verständlich, dass man allein mit diesen exorbitanten Preisen betriebswirtschaftlich nicht zurecht kommt und deshalb in die Speisenkarte hinein fettgedruckt 12% Serviceaufschlag erhebt. Ob diese Prozente jemals beim Servierpersonal ankommen oder das vom zusätzlich gereichten Trinkgeld leben muss, entzieht sich unserer Kenntnis, dürfte aber kaum anders als in anderen Lokale hierzulande gehandhabt werden.



Und selbstverständlich gehört auch eine um Bargeld aufspielende Zigeunerkapelle ins „Gundel“, die nach kurzer Zeit der Terrain-Rekognostizierung ihren zweitklassigen Primas auf die wenigen Gäste los lässt, um nicht nur am „Traurigen Sonntag“ ein paar Forint einzuspielen, die nach jedem Ständchen dann sogleich unter der Decke des Cymbals verschwinden. Mittlerweile, also so bald gegessen ist, schießt man uns wieder auf das Niveau des Pauschaltourismus zurück. Auf all das noch rasch einen Schnaps aus eigener Produktion und ein Adieu vom „Gundel“, denn ein Wiedersehen dürfte es hier erst wieder geben, wenn der Anspruch von Georg Lang vom „Gundel“ als einem der „feinsten und vornehmsten Lokal Europas“ eingelöst sein wird, - und sei es nur erstmal bezogen auf Ostmitteleuropa, wo es bereits jetzt schon derartige Lokale gibt: wenig schönere, aber viele bessere und alle zu vernünftigeren Preisen.

http://www.pesterlloyd.net/2009_25/0925gundel/0925gundel.html
Mark Twain sagte einmal:
"Eine Lüge ist bereits dreimal um die Erde gelaufen, bevor sich die Wahrheit die Schuhe anzieht."
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