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balaton-service.info - Das Forum für Ungarn / Sehenswertes, Kultur, Kneipenführer / K u l t u r / Bräuche und Feste im Lebenslauf der ungarischen Menschen
In diesem Thread befinden sich 18 Posts.
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Blasius
icon01.gif Bräuche und Feste im Lebenslauf der ungarischen Menschen - 04.08.2009, 17:47:31

8711 Posts - Magyar Vagyok
Kocsis
Bräuche und Feste im Lebenslauf der ungarischen Menschen


273. Taufe
Lészped, Moldau, Rumänien

Bräuche und Sitten durchweben das menschliche Leben schon von dem Moment der Geburt an. Aus Aufzeichnungen und Erinnerungen weiß man, daß noch zu Anfang des vorigen Jahrhunderts Frauen stehend, an den Türpfosten gelehnt oder sich an einem vom Hauptbalken herunterhängenden Seil festhaltend ihre Kinder zur Welt brachten. Die Quellen erwähnen aber auch, daß es Geburten gab, bei denen die Mütter eine hockende Stellung einnahmen oder auf Stühlen saßen. All diese Gebärformen änderten sich ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Die Geburt erfolgte im Bett und wurde von einer erfahrenen älteren Frau überwacht, seit den letzten zwei Jahrhunderten meist von einer Hebamme, die der Frauen aus der Verwandtschaft der Gebärenden zur Hand gingen. Ein Mann durfte bei der Geburt nicht anwesend sein; erst wenn das Kind bereits geboren und es ein Knabe war, wurde es dem Vater in den Arm gelegt. Besaß ein Bauer ein Roß, wurde das Kind sofort in den Stall gebracht und auf {G-647.} den Rücken des Pferdes gesetzt, damit es dereinst ein wackerer, sein Pferd liebender Bursche werde.


274. Kleidergeschenk für den Patensohn
Méra, ehem. Kom. Kolozs, Rumänien

Die Namenswahl war durch gewisse Gewohnheiten geregelt. So bekam der erste Sohn den Namen des Vaters, die erste Tochter den der Mutter, dann der Reihe nach die Namen der Großeltern beziehungsweise der Onkel und Tanten oder angesehener Verwandter. Die Matyós tauften ihre Kinder gerne auf den Namen des großen Königs Matthias, mit dem sie ihre eigene Volksbezeichnung in Zusammenhang brachten. Anderswo, besonders in protestantischen Gegenden, wurden gerne biblische Namen wie Samuel, Jeremias, Rachel usw. gegeben.
Mark Twain sagte einmal:
"Eine Lüge ist bereits dreimal um die Erde gelaufen, bevor sich die Wahrheit die Schuhe anzieht."
Blasius
icon01.gif Bräuche und Feste im Lebenslauf der ungarischen Menschen - 04.08.2009, 17:48:23

8711 Posts - Magyar Vagyok
Kocsis
Kinderspiele

Kinderverse werden zum größten Teil nur dann vorgebracht, wenn mehrere Kinder zusammen spielen. Sie haben mit den spielartigen Bräuchen gemein, daß sie sich in Wechselrede, Tanz und Gesang ausdrücken, zuweilen kommt auch Mimik dazu. Ihre Zahl ist, wenn man die häufigen Varianten in Betracht zieht, so groß, daß wir hier nicht einmal die wichtigsten eingehend überblicken können. Gruppenspiele sind etwa die folgenden: Spiele mit Rollen und Rollenwechsel, zum Beispiel Fangspiel, Weiße Lilie, Blindekuh, Wo ist der Ring? usw. Die Spielgruppe bleibt im wesentlichen unverändert, nur das aus der Gruppe ausscheidende und eine bestimmte Rolle spielende Kind (Fänger) wechselt; es singt die meist aus einem kurzen Lied bestehende Rolle ab und übergibt sie dann einem anderen Kind. Der Vorgänger bestimmt seinen Nachfolger: das ist das Hauptkennzeichen dieser Art von Spielen. Die Spiele, bei denen die Paare wechseln (Kissentanz), sind Varianten für Erwachsenere und stehen den Volksbräuchen näher. Eine Variante dieser Spiele ist, wenn der Wechsel mit Wettbewerb verbunden ist. Die Auswahl bleibt in diesem Fall der Gruppe überlassen.


Abb. 212. Drei Versionen des Krummers.
Tiefebene, um 1930

Die andere große Art der Gemeinschaftsspiele unterscheidet sich von den bisherigen dadurch, daß die Gruppe, die Gemeinschaft, sich verändert, größer oder kleiner wird. Aus der Runde wird eine Gruppe abgezählt ; aus einem nach innen gewendeten Kreis wird ein nach außen gewandter (Abzähler, Umdreher), aus einem stehenden Kreis ein sich drehender Kreis (Brautwerbespiele, Rundgang um die Burg, Reihenspiele); aus einer schreitenden Kette wird eine Brücke gebildet (Brückenspiele und verwandte Spiele), aus einer frei weidenden Herde eine gefangene Truppe (Gänsespiele und ähnliche). Werden einzelne Mitspieler ausgewählt, dann nur zu dem Zweck, daß sie für die ordnungsgemäße Umbildung der Gruppe sorgen; sie sagen die Abzählreime auf, bestimmen, wer als nächster sich umzudrehen hat, sie leiten den Rundgang um die Burg und sorgen überhaupt dafür, daß alles geordnet vor sich geht, die Reihen hübsch gebildet werden.


276. Vogel, Kinderspielzeug, Töpferarbeit
Ungarn


277. Kleines Kind mit Laufgitter
Szentistván, Kom. Borsod-Abaúj-Zemplén


Abb. 213. Schnarre aus Schweinebeinknochen.
Debrecen, um 1930


Abb. 214. Brummkreisel.
Vásárosnamény, ehem. Kom. Bereg, um 1930

Das Pfänderspiel ist ebenfalls ein Spiel mit bald mehr, bald weniger Spielern. Das Kind, das einen Fehler macht, scheidet aus, läßt sich aber durch ein Pfand, das es gibt, vertreten. Die letzte Art der Kinderspiele führt bereits an die Grenze der Erwachsenenwelt. „Die einander abwechselnden, dann in einer Reihe stehenden Kinder bilden hier eine einheitliche Gesellschaft, die sich in einheitlicher, unveränderlicher Gemeinsamkeit schauspielhaft bewegt, tanzt und spielt und weder durch Wechsel noch durch Ausscheiden oder Hinzukommen gestört wird.“ (György Kerényi)


Abb. 215. Wägelchen von Knochen pferdengezogen (Kinderspielzeug).
Poroszló, Kom. Heves, um 1930
Mark Twain sagte einmal:
"Eine Lüge ist bereits dreimal um die Erde gelaufen, bevor sich die Wahrheit die Schuhe anzieht."
Blasius
icon01.gif Bräuche und Feste im Lebenslauf der ungarischen Menschen - 04.08.2009, 17:50:39

8711 Posts - Magyar Vagyok
Kocsis
Aufteilung der Kinderspiele

Diese Aufteilung der Kinderspiele erfolgte zwar nur der Form nach, bietet aber doch einen guten Einblick in deren reichhaltige und bunte Welt. Den Folkloristen interessiert in erster Linie der Text der Kinderspiele. In diesen Texten finden sich die verschiedensten Typen der Volksdichtung. Treffend sagt Lajos Kálmány, die volkstümliche Kinderdichtung sei „eine wahre Fundgrube, ein Zufluchtsort der Volksdichtung … Von einzelnen gereimten Zeilen und Schlummerliedern bis zu fragmentarischen Balladen finden sich hier alle Zweige der Volksdichtung und der im Leben vorkommenden Handlungen … Der Baum der Volksdichtung ist weitgespannt und kreuz und quer verzweigt: seine Äste reichen durch- und übereinander, aber nirgends so stark wie hier, nämlich bei den Kinderspielen, und deswegen habe ich sie eine Fundgrube genannt; wenn der Wind an einem Zweig der Volksdichtung zerrt, beugt sich dieser so lange nach rechts und links, bis er den Zweig der Kinderspiele berührt, mit diesem zusammenwächst und dort einen wahren Zufluchtsort findet.“


Abb. 216. Burschenwappen.
Szigetköz, Anfang 20. Jahrhundert

Tatsächlich scheinen die textgebundenen Kinderspiele zu einem großen Teil alte Spuren der ungarischen Volksdichtung zu bewahren und sind so eine unschätzbare Quelle für Folkloreforscher. Schon allein die Tiere abschreckenden oder lockenden Reime bewahren zahlreiche historische Erinnerungen. So kommt in einem Störche vertreibenden Verslein ein türkisches Kind vor, was ohne Zweifel an die jahrhundertelangen Kämpfe der Ungarn gegen die Türken erinnert, und in einem Schneckenruf ist in verschiedenen Varianten bald von Türken und bald von Tataren die Rede, wobei die drohenden Worte des Textes auf deren Grausamkeit hinweisen. Die Aufzählung solcher geschichtlichen Anspielungen könnte man noch lange fortsetzen. In den Brückenspielen wird „unser guter König László aus Polen“ angerufen und der Kampf zwischen Ungarn und Deutschen erwähnt; in einem Ballspiel lebt das Andenken an König Matthias fort, in anderen Kinderspielen findet man Spuren der alten Sitte der Soldatenwerbung, aber auch die grausamen Gestalten der Volksunterdrückung, die Grundherren, ungerechten Richter und Panduren, leben in ihnen fort.


278. Gänsehirtin
Kom. Nógrád

In der Kinderfolklore finden sich neben den Erinnerungen an geschichtliche Persönlichkeiten und Ereignisse auch Überreste alter Bräuche. Das kommt daher, daß die Kinder in ihren Spielen selbstverständlich die Handlungen der Erwachsenen nachahmen. In Spielen, in denen einzelne Tiere nachgeahmt werden (Gänsespiel, Ziegenspiel usw.), sieht die Forschung eine Nachfolge uralter Tierdarstellungen, während andere Spiele heute bereits im Schwinden begriffene Hochzeitsbräuche mit ihren alten Liedern und Tänzen bewahren.

Wenn die Kinderspiele auch tiefgehende historische Wurzeln haben, darf doch nicht vergessen werden, daß sie zumeist unter den Kindern der Gegenwart leben und daß das Überleben weit in die Vergangenheit reichender Motive nur so erklärt werden kann, daß immer wieder neue Elemente, neue und abermals neue Varianten dazukamen. Auch folgten die Spiele den gesellschaftlichen Veränderungen, die die Welt der Kinder ebenfalls nicht unberührt ließen. Manchmal änderte sich nur ein Wort, eine Formel, manchmal änderte sich sogar das ganze Spiel indem es eine neue Funktion erhielt.


279. Kinderspiel
Galgamácsa, Kom. Pest


280. Tanz der Halbwüchsigen
Szék, ehem. Kom. Kolozs, Rumänien

Die geschichtlichen Elemente gehören zwar zu den interessantesten, kaum aber zu den wesentlichsten Elementen der ungarischen Kinderspiele. Wesentlich ist, daß diese Spiele gerade infolge des erwähnten {G-656.} Nachahmungsdranges des Kindes Ereignisse des wirklichen Lebens nachvollziehen. Selbst kurze Verse sind voll von Hinweisen auf die Natur, zum Beispiel die Tierwelt, doch findet man in ihnen – gar nicht an letzter Stelle – lebensnahe Bilder alltäglicher Arbeit: „Wir brechen Salz, brechen Erbsen, läuten mit dem Kürbis“, liest man in einem die Sonne hervorlockenden Vers, und es gibt kaum ein kindliches Gesellschaftsspiel, in dem nicht eine Anspielung auf verschiedene Erscheinungen der bäuerlichen Arbeit vorkommt (Tiere hüten, Ein- und Austreiben, Hacken, Spinnen und Weben, Säen, Ernten, Kochen-Backen usw.), und zwar nicht nur im Text, sondern auch in den zum Spiel gehörenden Gebärden.


Abb. 217. Kinderspielzeug aus Maisstengel.
a–b) Geigen. Gige, Kom. Somogy; c–d) Ochsen. Galgamácsa, Kom. Pest, erste Hälfte 20. Jahrhundert

Wenn ein Kind das Alter von zwölf Jahren erreicht hatte, galt es zwar nicht mehr als Kind, es wurde aber von den Burschen und größeren Mädchen noch nicht anerkannt. Dies erfolgte meist erst im Alter von 16 bis 18 Jahren, bei den jungen nach einem Ritual, das sich meist im Wirtshaus vollzog. Der aufzunehmende Bursche lud die älteren Burschen ein, und diese nahmen ihn beim Trinken in ihre Gemeinschaft auf. Einer der Burschen machte den Paten und begrüßte den Neuling mit den Worten: „Bis jetzt warst du mir ein guter Freund, von jetzt ab bist du mein Patensohn. Wenn jemand dich auf der Straße beim Kommen und Gehen beleidigt, werde ich schon mit ihm abrechnen.“ (Grantal.) Der so zum Burschen gewordene junge durfte nun das Wirtshaus und die Spinnstube sowie Bälle und Häuser besuchen, wo es junge Mädchen gab; er durfte Mädchen zum Tanz auffordern, und wenn er angegriffen wurde, eilten die anderen Burschen ihm zu Hilfe. Der Anführer der Burschen, der Burschenrichter, wurde jedes Jahr neu gewählt, wobei auch der Grundherr und die Vorsteher des Dorfes ein Wort mitsprachen, denn diese zahlten den Wein für ihn. Die Burschen halfen ihm bei seiner Tagesarbeit. An manchen Orten wurde die Wahl zu Pfingsten abgehalten. Da gab es Pferderennen, anderswo Ringkämpfe oder Zähmung von Stieren, wobei der Kandidat die Mitbewerber besiegen und so seine Eignung zum Burschenrichter beweisen mußte.


Abb. 218. Abzeichen des Burschenrichters.
Barskapronca, ehem. Kom. Bars, Ende 19. Jahrhundert

Bei den Mädchen gab es keine so genauen Regeln wie bei den Burschen. Im allgemeinen luden Mädchen, wenn sie vierzehn wurden, die älteren Mädchen zum Abendessen ein, in deren Gemeinschaft sie dann aufgenommen wurden. Ältere Aufzeichnungen berichten vom Brauch der „Pfingstköniginwahl“; die gewählte Pfingstkönigin war dann ein Jahr lang die Anführerin der Mädchen. Doch dieser Brauch lebte nur als Kinderspiel fort.

Erwachsene Mädchen und Burschen duzten sich nicht mehr. Man traf sich bei der Arbeit, bei sonntagnachmittäglichen Spaziergängen, in der Spinnstube oder wo getanzt wurde. Wenn es in einem Hause Mädchen gab, waren die Burschen nur an bestimmten Tagen, meist am Samstag, zugelassen. Waren sich Mädchen und Bursche bereits einig, und die Eltern sahen kein Hindernis einer Ehe, durfte der Bursche das Haus öfter besuchen. Wenn das Mädchen den Burschen aus dem Haus begleitete, durfte es längere Zeit ausbleiben, ja bei den Palotzen war sogar ein Beisammensein in der Schlafkammer erlaubt, die anderen Burschen stellten dann ihre Besuche ein.
Mark Twain sagte einmal:
"Eine Lüge ist bereits dreimal um die Erde gelaufen, bevor sich die Wahrheit die Schuhe anzieht."
Blasius
icon01.gif Bräuche und Feste im Lebenslauf der ungarischen Menschen - 04.08.2009, 17:51:32

8711 Posts - Magyar Vagyok
Kocsis
Die Hochzeit

Die Hochzeit und die damit verbundenen zahlreichen Bräuche sind jenes hervorstechende Moment des Volkslebens, das der Laie am besten kennt und der Neuling unter den Folkloristen am liebsten beschreibt. Ohne hier auf die Zeit der erwachenden Liebe einzugehen, die trotz, individueller Möglichkeiten und Abweichungen durch gewisse ungeschriebene Konventionen geregelt ist, müssen die Hochzeitszeremonien und die vorhergehende Brautwerbung, die bereits beschrieben wurde, als spielartiger Brauch aufgefaßt werden. Die Brautwerber finden sich im Hause des Mädchens ein, wo sie schon erwartet werden, allerdings darf man sich das nicht anmerken lassen. Nach längeren Neckereien und Scherzen erscheint endlich die zukünftige Braut – ein abweisender Bescheid wäre den Brautwerbern rechtzeitig bekanntgegeben worden. Hierher gehört die Redewendung „jemandes Szűr (Mantel) vor die Tür hängen“ (jemanden an die Luft setzen): Mit dem Szűr, je nachdem, wo er hing, wurde an manchen Orten angedeutet, ob die Brautwerbung genehm war oder nicht. Wessen Mantel unter der Traufe hing, mußte sich anderswo eine Braut suchen.

Wenn schon die Brautwerbung ein Schauspiel ist, so kann die Hochzeit – vom Gang zur Kirche über das Aufladen der Brautaussteuer bis zu Hochzeitsmahl und Brauttanz – zu Recht eine dramatische Komposition genannt werden. Regisseur und Arrangeur dieses Schauspiels war nach alter Überlieferung der erste Brautführer, der mit seinen scherzhaften und ernsten Versen die Gesellschaft lachen und weinen machte und mit seinen Einfällen ähnlich wie bei der Commedia dell’arte aktuelle Scherze in einem seit Jahrhunderten gegebenen Rahmen improvisierte. Es war ein primitives und doch ewig menschliches Schauspiel mit wechselnden Personen, das – wie die Balladen, scherzhaften Volkslieder und Brautwerberreime bezeugen – seine Teilnehmer wechselnden Schicksalen zuführte. Und wenn auch ein scherzhafter Brautwerberreim lautet:

Eine Fessel ist die Ehe,
Hüte dich vor ihrer Nähe!

so war es doch im Urteil des Dorfes eine große Schande, eine alte Jungfer oder ein Hagestolz zu bleiben – ein Verstoß gegen das Gesetz des Dorfes.

Im ungarischen Sprachraum war die übergroße Mehrheit der Eheschließungen endogam, das heißt, der Bursche suchte sich seine Braut im allgemeinen im eigenen Dorf und selbst dort in dem Teil, in dem er wohnte. Wenn jemand versuchte, diese Ordnung zu durchbrechen, wurde er oft in blutigen Prügeleien gezwungen, sie einzuhalten. Seltener waren kleinere Gruppen von Dörfern, innerhalb derer die Eheschließung als erlaubt galt. Die frühere Ordnung löste sich seit dem Ende des vorigen Jahrhunderts immer mehr auf, seitdem die Burschen mehr und mehr in andere Gegenden zur Arbeit oder zum Militärdienst kamen.

Die Hauptpersonen und Gestalter der ungarischen Hochzeitsfeiern sind im ganzen Sprachraum im großen und ganzen dieselben. Braut und Bräutigam haben beide je einen Beistand oder Trauzeugen, die zwar die angesehensten Gäste sind, sich aber doch eine ganze Reihe {G-658.} von Scherzen gefallen lassen müssen. Bei der Bitte um Herausgabe der Braut, bei ihrer Übergabe und beim Hochzeitsmahl spielen sie eine wichtige Rolle. Der Regisseur oder Leiter der ganzen Zeremonie ist der erste Brautführer, der über hervorragende Eigenschaften verfügen muß. Er muß ein erstklassiger Organisator sein, Schwierigkeiten aus dem Wege räumen, Streit verhindern, den ganzen Ablauf der Hochzeitszeremonie beherrschen sowie die passenden Verse und Lieder kennen. Er dirigiert die Musik und achtet darauf, daß jeder mit Speise und Trank versehen ist. Er geht dem Hochzeitszug voran und führt während des ganzen Marsches seine eigenen Tänze vor. Solche Leute gibt es nur wenige in einem Dorf, und natürlich werden dieselben immer wieder eingeladen. Kleine Brautführer finden sich in beiden Hochzeitshäusern mehrere; sie erledigen den Dienst der Hochzeitsbitter und warten bei Tisch auf. Die Frau Köchin ist eine Persönlichkeit, die das große Umsicht erfordernde Kochen mengen- und qualitätsmäßig einwandfrei mit Hilfe der Hausleute zu schaffen vermag.


281. Vor der Hochzeit wird die Braut verabschiedet
Buják, Kom. Nógrád


282. Das Brautbett wird gebracht
Balavásár, ehem. Kom. Szolnok-Doboka, Rumänien
Mark Twain sagte einmal:
"Eine Lüge ist bereits dreimal um die Erde gelaufen, bevor sich die Wahrheit die Schuhe anzieht."
Blasius
icon01.gif Bräuche und Feste im Lebenslauf der ungarischen Menschen - 04.08.2009, 17:53:05

8711 Posts - Magyar Vagyok
Kocsis
Ungarische Bezeichnungen der Hochzeit

Interessante Lehren kann man aus den ungarischen Bezeichnungen der Hochzeit ziehen. Das älteste Wort für Hochzeit scheint das heute schon sehr veraltete menyegzö zu sein, das man seit dem Ende des 14. Jahrhunderts kennt und das aus dem Wort meny = Schwiegertochter abgeleitet ist; dieses Wort selbst stammt aus der uralischen Zeit. Seit der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts ist das Wort házasság nachweisbar, das an den Begriff ház = Haus anschließt, wie dies auch im Bulgarischen, Osmanisch-türkischen und in anderen Sprachen der Fall ist. Das heute gebräuchlichste Wort für Hochzeit ist lakodalom, das zu Beginn des 16. Jahrhunderts auftaucht und von dem Wort lakik = ißt herstammt, das früher jede Art von Gelage bedeutete. Diese letzte Benennung zeigt ohne allen Zweifel, welch wichtige Rolle das Essen und das dazugehörige Trinken bei der Festlichkeit spielten. (Nicht zu vergessen ist das Wort esküvő für Hochzeit, das allzu städtisch und modern klingt; es kommt von eskü = Schwur.)

Die ungarische Hochzeitsfolklore ist außerordentlich reichhaltig. An erster Stelle müssen die Brautführerverse erwähnt werden, die zum großen Teil Mischprodukte der Volks- und Kantorendichtung sind. Sie wurden handschriftlich, aber auch im Druck verbreitet, woraus sich ein gewisser Ausgleich zwischen den einzelnen Gegenden ergab. Aufgesagt wurden die Verse vom ersten Brautführer, seltener vom Beistand. Um die Aufmerksamkeit der Gäste zu erwecken, wurde mehrmals mit einem Stock auf den Fußboden gestoßen, worauf die Zigeuner einen Tusch spielten. Heute haben diese Verse keine Melodien mehr, aber vor einigen Jahrhunderten gab es gesungene Varianten. Diese wurden im allgemeinen gemäß den einzelnen Phasen des Hochzeitsfestes gesungen, und in dieser Reihenfolge stehen sie auch in den sogenannten Brautführerbüchern.

Unter den Hochzeitsliedern sind sozusagen alle Schichten des ungarischen Volksliedes vertreten. So kann während des Hochzeitsschmauses fast jedes Genre zu Wort kommen: Weinlieder, Glückwunschlieder, unterhaltende und scherzhafte Lieder, aber auch biblische und moralisierende Lieder. Viele Lieder werden nur bei Hochzeiten gesungen, wo sie obligatorisch sind.

Der recht vielschichtige dramatische und poetische Stoff der ungarischen Hochzeitsbräuche wird überdies noch durch regionale oder lokale Zutaten bereichert. Hier soll jetzt eine Hochzeitsfeier in Umrissen dargestellt werden, die im wesentlichen allgemeingültig ist und deren Varianten sich in den verschiedenen Gegenden des Sprachraums sozusagen bis auf unsere Tage erhalten haben.

Nach vollzogener Brautwerbung folgt die Verlobung (die ungarischen Entsprechungen: eljegyzés oder kézfogó könnte man etwa mit „Markierung“ oder „Handreichung“ übersetzen). Der persische Geschichtsschreiber Gardesi hat im 11. Jahrhundert von den Ungarn geschrieben, sie kauften ihre Bräute gegen Pelze und Vieh. Vielleicht ist es eine Erinnerung an diese Sitte, wenn noch heute von 16 bis 18 Jahren alten Mädchen gesagt wird, sie hätten (wörtliche Übersetzung) das verkäufliche Alter erreicht. Bei der Verlobung übergab der Bräutigam der Braut eine Gold- oder Silbermünze, die in einen Apfel gesteckt oder in verziertes Papier gewickelt war. An deren Stelle trat seit der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts immer allgemeiner ein Goldring. Der Bräutigam trug an vielen Orten während der Verlobungszeit einen Blumenstrauß am Hut, den er dann am Hochzeitstag ablegte. zu Ende der Zeremonie segnete der Beistand des Bräutigams das Brautpaar, worauf beide Beistände ein reich geschmücktes handgewebtes Tuch bekamen. In Cigánd (Bezirk Zemplén) antworteten sie mit folgenden Dankesworten:

Wer diese Tücher säuberlich gesponnen,
Gewoben und vom Webstuhl abgenommen,
Für uns genäht hat hübsch und aufgehoben,
Die segne unser Herr im Himmel oben.

Wir wünschen, daß den Frau’n ihr Blütenflachs
Vom Hagel unberührt gedeih und wachs.
Weil fleißig auch im Winter, ruht deswegen
Auf ihrem Tun gewiß des Himmels Segen.
Mark Twain sagte einmal:
"Eine Lüge ist bereits dreimal um die Erde gelaufen, bevor sich die Wahrheit die Schuhe anzieht."
Blasius
icon01.gif Bräuche und Feste im Lebenslauf der ungarischen Menschen - 04.08.2009, 17:55:30

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Kocsis
Vorbereitungen zur Hochzeit

Nach alledem begannen die Vorbereitungen zur Hochzeit. Ein wichtiges Moment war, daß sich der Beistand in Begleitung des Brautpaars und einer älteren weiblichen Verwandten zum Pfarrer begab, um die Eintragung vornehmen zu lassen. Dann erfolgte an drei aufeinanderfolgenden Sonntagen das Eheaufgebot, das der Sitte gemäß mindestens einmal auch vom Brautpaar mit angehört werden mußte. Nach der letzten Ankündigung konnte die Hochzeit abgehalten werden. Der für die Hochzeit bevorzugte Tag wechselte zwar im Laufe der Zeiten und in den einzelnen Gegenden, meist wählte man jedoch den Mittwoch oder noch lieber den Samstag. Die meisten Hochzeiten wurden für den Frühwinter und nach Fastnacht angesetzt, weil dann die Bauern am leichtesten die Zeit dafür erübrigen konnten.

Ein bis zwei Tage vor der Hochzeit begann im Hochzeitshaus die Zubereitung der Speisen. Dazu gehörten die in der Ungarischen Tiefebene unerläßlichen Schneckennudeln, das gefüllte Kraut (etwa: Kohlrouladen) und das Rupfen der Hühner. Das war die Aufgabe der Frauen, die nach Abschluß dieser Vorbereitungen ein kleineres Tanzvergnügen abhielten, woran auch die Trauzeugen und Brautführer teilnahmen.

Die Gäste einzuladen war Aufgabe der sogenannten Kleinen Brautführer. In erster Linie wurden – den lokalen Sitten entsprechend – die Verwandten dritten bis vierten, an einigen Orten sogar bis fünften Grades eingeladen. Natürlich durften unter den Eingeladenen weder die Nachbarn noch die Vorsteher des Dorfes fehlen. Die Kleinen Brautführer gingen meist zu zweit und luden die Gäste im Namen der Familie der Braut beziehungsweise des Bräutigams mit Reimsprüchen ein, die von Gegend zu Gegend variierten:

Frohen Herzens treten wir in dieses Haus,
Laden Euch zu einem lieben Hochzeitsschmaus.
Denn als uns’re Väter in die Ehe traten,
Haben sie die Sippschaft auch so eingeladen.

Uns’re Väter gaben diese Pflicht uns auf.
Denn der Ungar liebt die Gäst’ im Haus zuhauf.
…………………………………..

Gern erwarten wir auch Euch bei offenen Türen
Habt ihr einen Kranken, müßt ihr ihn mitführen.
Liebe gute Vettern, gebt mir drauf die Hand,
Daß Ihr kommen werdet alle miteinand’.
Alle müßt Ihr kommen, Jungen wie die Alten,
So soll Gottes Segen über dies Haus walten.

(Ungarische Tiefebene)

Als ein Zeichen, daß die Einladung angenommen worden war, galt, u. a., wenn die Eingeladenen am Tage vor der Hochzeit ihre Geschenke, Gebrauchsgegenstände oder allerlei Speise und Trank brachten. Seit einem halben Jahrhundert verbreitete sich der Brauch, eine Torte zu bringen, von der dann diejenige, die sie gebacken hat, nach Tisch den anderen Gästen anbietet.

Ebenfalls am Tage vor der Hochzeit wurden nachmittags die Brauttruhe, andere Möbelstücke, das Bettzeug und die Kleider der Braut mit einem Wagen in das Haus des Bräutigams gefahren, in dem das junge Paar wohnen sollte. Dies geschah beileibe nicht auf dem kürzesten Wege, vielmehr sollte das ganze Dorf sehen, was die Braut mitbekam. Während der Fahrt wurden unter der Leitung des Brautführers Lieder gesungen, die je nach der Gegend wechselten.

Seht, das Brautbett wird gebracht,
Das dem Bräutigam Freude macht„
Das dem Bräutigam Freude macht.

Gott sei bei euch immerdar,
Und ein Kindchen übers Jahr!
Und ein Kindchen übers Jahr!

(Geszte, ehem. Komitat Nyitra)
Mark Twain sagte einmal:
"Eine Lüge ist bereits dreimal um die Erde gelaufen, bevor sich die Wahrheit die Schuhe anzieht."
Blasius
icon01.gif Bräuche und Feste im Lebenslauf der ungarischen Menschen - 04.08.2009, 17:57:09

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Kocsis
Am Hochzeitsmorgen

Schon beim Verlassen des Brauthauses sind sie zahlreichen Neckereien ausgesetzt, die noch zunehmen, bis sie das Haus des Bräutigams betreten dürfen. Da wird sogar mit dem Daunenbett auf dem Hof herumgetanzt, dann wird ein Junge auf dem Bettzeug gewälzt, damit das erste Kind ein Knabe werde.

Am Hochzeitsmorgen versammelt sich die Hochzeitsgesellschaft in zwei Gruppen im Hause der Braut beziehungsweise des Bräutigams. Der Bräutigam zieht das von der Braut erhaltene Verlobungshemd an, dann nimmt der erste Brautführer im Namen der Junggesellenfreunde von ihm Abschied, und es geht los zu Fuß oder mit Wagen in Richtung auf das Brauthaus. Hier wird man aber zunächst nicht eingelassen, denn das Tor ist versperrt und wird erst nach langen Verhandlungen zwischen den beiden Beiständen, dem Brautbitter und dem Brautgeber, geöffnet. Inzwischen wird die Braut von den Brautjungfern angekleidet und frisiert. Im vorigen Jahrhundert trugen die meisten Bräute im ungarischen Sprachraum dunkle Kleider. Das heute allgemein übliche weiße Kleid hat alle anderen Farben erst um die Jahrhundertwende verdrängt.

Der Brautbitter drängt nun die Braut immer nachdrücklicher, man solle doch schon zur Kirche aufbrechen. Aber zuerst zeigt man ihm eine alte bucklige Frau, dann einen in Frauenkleider gekleideten Burschen und endlich eine Brautjungfer, und erst nachdem alle diese zurückgewiesen worden sind, erscheint die wirkliche Braut, und der erste Brautführer spricht die Abschiedsworte:

Musikanten, ruhen lagt jetzt eure Geigen,
Sporenklirr’n, Getrappel, alles soll jetzt schweigen,
Denn ich fange nun die Abschiedsrede an.
Wartet drauf geduldig, bis ich enden kann.
Abschied nimmt die Braut jetzt von ihren Eltern,
Die sie aufgezogen, und von den Geschwistern.
Reden möcht’ sie selber, doch sie kann es nicht,
Jeder sieht’s an ihrem traurigen Gesicht.
Helfen wir ihr still, den Schmerz zu überwinden,
Seid still, Kinder, ihr dort in der Ecke hinten.

(Ungarische Tiefebene)


283. Die Aussteuer der Braut wird gebracht
Vista, ehem. Kom. Kolozs, Rumänien


284. Das Brautbett wird durchs Dorf gefahren
Vista, ehem. Kom. Kolozs, Rumänien

Die Abschiedsworte spricht der erste Brautführer stets in der ersten Person im Namen der Braut; wenn er geendet hat, formiert sich auf {G-664.} dem Hof der Hochzeitszug. Seine Formen sind je nach der Gegend verschieden, doch geht im allgemeinen das Hochzeitsvolk des Bräutigams voran und das der Braut folgt. Diese ist entweder von den Brautjungfern umringt oder wird von einem Brautführer geführt. Beim Verlassen des Hofes wird ein bestimmtes Lied gesungen:

Mutter, schau zum Fenster raus,
Jetzt führt man mich aus dem Haus.
Schau und weine bitterlich,
Vielleicht siehst du nimmer mich.

Meiner Mutter Rosenstrauch,
Daran wuchs zur Pracht ich auch,
Ging die Knospe auf verfrüht –
Hätt’ ich lieber nie geblüht.

Meiner Mutter Rosengarten,
Mich ließ man darin nicht warten,
Pflückt ein Bursch mich, führt mich fort –,
Bin an seiner Brust verdorrt.

(Szögliget, Komitat Abaúj)

Die Beistände schließen den Hochzeitszug ab, wachen über die Ordnung und bieten den am Wege „Gaffenden“ Wein aus Flaschen oder kulacs (runde Feldflaschen) an. Vor der Kirche bleiben die beiden Hochzeitsgesellschaften noch einmal stehen und führen einen Tanz auf. Dann folgt in der Kirche die religiöse Zeremonie, während derer die Braut versucht, dem Bräutigam auf den Fuß zu treten, um so ihre zukünftige Herrschaft zu sichern. Ein Brautführer bedankt sich beim Pfarrer für die Trauung und überreicht ihm ein Glas Wein, einen Kuchen und ein gewebtes Tuch. Die beiden Hochzeitsgesellschaften verlassen die Kirche, noch immer getrennt.

Nun beginnen die beiden Beistände darüber zu verhandeln, was mit der Braut geschehen solle. Im allgemeinen kommen sie überein, die Braut solle in das elterliche Haus zurückgehen. Die beiden Hochzeitsgesellschaften trennen sich nun wieder, und jede geht – womöglich auf einem anderen Weg –, wie sie gekommen ist, zu ihrem eigenen Gastgeber zurück, wo ein Mittagessen sie erwartet. Nach dem Essen kommen dann immer häufiger Abgesandte zum Hause der Braut und fordern ihre Herausgabe. Am Nachmittag setzt sich dann der Bräutigam mit seiner ganzen Hochzeitsgesellschaft in Bewegung, um sich seine Frau selbst zu holen. Natürlich geht auch dies nicht ohne Scherze und spielerische Auftritte ab. Der Bräutigam muß seine Braut unter drei vermummten Gestalten heraussuchen. Endlich machen sich dann beide Hochzeitsgesellschaften auf den Weg zum Hause des Bräutigams, wo sie mit einem Lied ankommen, zum Beispiel in einem Teil Siebenbürgens mit diesem:

Schön und stattlich schreiten wir,
Heißt die Braut willkommen hier,
Schön der Name, der sie ziert,
Schöner sie, die diesen führt.

Fahr mit mir nach Enyed, gelt?
In die Mitte von der Welt,
Dort gibts Rosen, Margareten
Und Levkojen zum Anbeten.

Hochzeitsmutter, kommt hervor,
Schließet auf das große Tor!
Hilfe bringen wir Euch schon:
Eine Frau für Euren Sohn.

(Szépkenyerűszentmárton, ehem. Komitat Szolnok-Doboka)
Mark Twain sagte einmal:
"Eine Lüge ist bereits dreimal um die Erde gelaufen, bevor sich die Wahrheit die Schuhe anzieht."
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Kocsis
Aufbruch zur Trauung


285. Aufbruch zur Trauung
Szentistván, Kom. Borsod-Abaúj-Zemplén

Das Tor wird aber auch hier erst nach langem Drängen und gegenseitigen Neckereien zwischen Brautführern und Beiständen aufgemacht. Die Braut wird entweder auf den Armen hineingetragen, oder es wird ein Stuhl neben den Wagen gestellt, über den sie herabsteigt. In der Diele wird sie um den Herd herumgeführt und damit als Mitglied der Familie anerkannt. Dann bittet der erste Brautführer wieder um Ruhe und spricht:

Liebe Herren, werte Damen, guten Tag!
Nicht vergeblich waren unsre Müh und Plag,
Schöne Braut wir fanden für den Bräutigam.
Seht das Paar, das eben aus der Kirche kam!
Seinem Ende zu geht das Familienfest,
Übrig bleibt jedoch in trautem Kreis ein Rest.
Nehmt zum Hochzeitsmahl jetzt Platz auf diesen Stühlen,
Jeder soll gemütlich wie zu Haus sich fühlen.
Du, Zigeuner, aber setz den Bogen an,
Daß das Hochzeitsvolk sich amüsieren kann.

(Sepsibesenyő, ehem. Komitat Háromszék)


286. Darbringung des Hochzeitsgebäcks
Méra, ehem. Kom. Kolozs, Rumänien


287. Hochzeit
Szentistván, Kom. Borsod-Abaúj-Zemplén
Mark Twain sagte einmal:
"Eine Lüge ist bereits dreimal um die Erde gelaufen, bevor sich die Wahrheit die Schuhe anzieht."
Blasius
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Kocsis
Der Hochzeits-Nachmittag

Den Nachmittag verbringen die jungen Leute mit Spielen, die älteren in ruhigem Gespräch oder mit Liedersingen. Die Zigeuner spielen langsame, sogenannte Zuhör-Weisen, noch wird nicht getanzt. Inzwischen bereiten die Frauen unter Leitung der Köchin das Abendessen {G-667.} vor, wozu alle Möbel aus dem Haus entfernt wurden und nur Tische, Stühle und Bänke drinnen geblieben sind. Wenn das Wetter günstig ist, wird auf dem Hof ein Zelt aufgestellt, und in diesem wird das Abendessen aufgetragen.

Die Sitzordnung beim Mahl ist an manchen Orten vorgeschrieben, aber je nach Gegend verschieden. Mancherorts sitzen die Beistände in der Mitte zwischen dem jungen Paar; in anderen Fällen ist es genau umgekehrt, das heißt die Brautleute sitzen in der Mitte und daneben der jeweilige Beistand. Dann folgt die Verwandtschaft in der durch die Abstammung gegebenen Reihenfolge. Ehrenplätze gebühren den eingeladenen Vorstehern des Dorfes. An den meisten Orten essen Braut und Bräutigam aus einem Teller und trinken aus einem Glas, um auch so ihre enge Zusammengehörigkeit zu zeigen. Das Aufwarten bei Tisch ist Aufgabe der Brautführer. Zuvor kündigt der erste Brautführer, nachdem sich jedermann gesetzt hat, die Speisenfolge mit entsprechenden Reimsprüchen an:

Euch in diesem Hause froh versammelt habend,
Wünsche ich euch allen einen guten Abend.
Diese große Schüssel, die ich bringen muß,
Schickt der liebe Hausherr allen euch zum Gruß.
Hühnersuppe hab ich jetzt hereingetragen,
Dazu Nudeln, Beine, Hals und Haut und Magen.
Seht die schöne Farbe, glänzt sie nicht wie Gold?
Die ihr nicht nur anschau’n, sondern kosten sollt.
Macht Platz für die Schüssel mitten auf dem Tisch,
Langt Zu, wünscht der Hausherr, ziert euch nicht, macht frisch!


Abb. 219. Hochzeitskuchen.
Ehern. Kom. Udvarhely, um 1920

Dann folgen der Reihe nach die Gerichte: Rindfleisch in Paprikasauce, Kohlrouladen, Braten, und jedes wird mit einem Reimspruch angekündigt ebenso auch der Wein. In der Tiefebene sitzen den Beiständen lustige junge Leuten gegenüber, die man – in Erinnerung an einen bei den Kumanen bekannten Rang – „Kumanenkapitäne“ nennt. Diese sind die Hauptspaßmacher, und um sie bei guter Laune zu halten, bietet ihnen der erste Brautführer auch noch extra Wein an.

Gott zum Gruß, Kumanenkapitän!
Unser Wirt möcht euch nicht traurig sehn!
Darum schickt er euch die Flasche Wein,
Eßt und trinkt, und lustig sollt ihr sein!

(Tetétlen, Komitat Hajdú)

Als letzte Speise wurde der traditionelle Brei aufgetragen, der später von Kleingebäck und Torten abgelöst wurde. Zum Ende des Schmauses erscheint dann die Köchin, und der erste Brautführer kündigt das schwere Unglück, das sie getroffen hat, an:

Mitten in der Freude ist etwas passiert,
Was uns, liebe Gäste, unliebsam berührt.
Als die Köchin rührt’ den Brei mit flinker Hand
Spritzte raus ein Klumpen und hat sie verbrannt.
Arg verbrüht sind ihre Hände, auch die Arme.
Zugedeckt mit einem Tuch hat sie, die Arme,
Schmerzen hat die Köchin, ihre Tränen fließen,
Einen Balsam müßt man auf die Wunden gießen,
Den zu holen, sollt’ man zum Apotheker eilen,
Dazu braucht man Geld, das muß ich euch mitteilen.
Darum laßt euch bitten, meine Damen, Herr’n,
Tragt bei zu den Kosten, sicher tut ihr’s gern.

(Ungarische Tiefebene)

Jedermann legt also sein Scherflein auf den Teller, nicht ohne zwischendurch das Tuch auf dem Arm der Köchin oder gar ihren Rock keck zu heben, was diese mit dem Kochlöffel in ihrer anderen Hand unzart abwehrt. Währenddessen werden die sich an den Fenstern bemerkbar machenden Maskierten hereingelassen; andere führen die Parodie einer Beerdigung vor, und ein als Priester verkleideter Bursche segnet unter derben Scherzen den mit einem weißen Laken bedeckten Scheintoten ein. Die Maskierten erhalten für ihre Späße Speise und Trank und dürfen auch am Tanz teilnehmen. Während des Abendessens spielen die Zigeuner ohne Pause: Männer können sich für Geld, Frauen umsonst ein besonderes Lied bestellen. Nach beendetem Mahl setzen sich die Zigeuner zum Essen. Unterdessen tragen die Brautführer die Tische und Stühle hinaus, und der Tanz kann beginnen. Die älteren Gäste ziehen sich in ein kleineres Zimmer zurück, trinken Wein und plaudern. Jetzt sollen drei Momente des Hochzeitsfestes beschrieben werden, die zwar in einem großen Teil des Sprachraums bekannt sind, deren Reihenfolge aber je nach der Gegend, ja oft je nach dein Dorf verschieden ist.


288. Die Speisen zum Hochzeitsmahl werden aufgetragen
Püspökhatvan, Kom. Pest
Mark Twain sagte einmal:
"Eine Lüge ist bereits dreimal um die Erde gelaufen, bevor sich die Wahrheit die Schuhe anzieht."
Blasius
icon01.gif Bräuche und Feste im Lebenslauf der ungarischen Menschen - 04.08.2009, 18:00:08

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Das Brautbetten, Haaraufstecken und Abschluß der Hochzeitsfeier

Das Brautbetten erfolgt nach den ersten Tänzen. Der Brautführer sagt wieder einen Sermon auf, in dem er die Braut noch einmal von ihrer Familie und ihren Jugendfreundinnen verabschiedet, und führt sie aus dem Haus. Sie wird von den Brautjungfern übernommen, die sie samt dem jungen Ehemann in die Bodenkammer begleiten. Hier ist das Hochzeitsbett aufgeschlagen. Nun legt die junge Frau den Kranz ab, den der Brautführer an einem Stock befestigt und zu den Tanzenden und sich fröhlich Unterhaltenden zurückbringt.

Das Haaraufstecken ist eine Prozedur der Anerkennung dessen, daß das Mädchen Frau geworden ist und sich nunmehr in ihrer neuen Tracht zeigen muß. Das Haaraufstecken erfolgt meist im Schlafzimmer des jungen Paares, außer dem Ehemann dürfen nur Frauen und Mädchen anwesend sein. Solange das Haar der Braut in Zöpfe geflochten und in einen Knoten gelegt wird, muß sie der Sitte entsprechend dauernd weinen. Natürlich geht das auch nicht ohne Lieder vor sich:

Freude ist solang’ das Leben,
Bis im Wind die Bänder schweben.
Bänder leichte Zierde sind,
Flattern froh im frischen Wind.

Schwerer wiegt das Frauenkleid,
Immer sitzt darin ein Leid.
Tragen mußt du ohne Rast
Bis zum Tod die schwere Last.

(Hertelendyfalva, ehem. Komitat Torontál)

Sobald das Haaraufstecken beendet ist, wird die junge Frau gegen ein Lösegeld wieder dem Brautführer übergeben, der sie zur Hochzeitsgesellschaft zurückführt und sie mit Reimen vorstellt:

Warst ein Mädchen, bist nun eine junge Frau,
An dem schönen Knoten sieht man es genau.
Aufgesteckte Haare sind der Frauen Zierde.
Bleib gesund, und trag den Frauenschmuck mit Würde.

Segne Gott so dich wie deinen lieben Mann,
Lebt Zusammen wie ein glücklich Paar fortan,
Liebt euch in der Zukunft grad so heiß wie heut,
Lebt in Gottesfurcht und in Zufriedenheit!

(Kovácsvágás, Komitat Abaúj)

Zum Abschluß der Hochzeitsfeier gehörte der Brauttanz. Der erste Brautführer stellte die junge Frau mit einem Spruch wie diesem vor:

Unsre schöne Braut, schaut sie euch an,
Auch als Frau sich sehen lassen kann.
Einen Tanz gewährt sie jedem Gast,
Jeder zahlt dafür, soviel ihm paßt.

Auf zum Brauttanz, komme wer sich traut,
Aber schont die Schuhe von der Braut.
Schuh’ vom Schuster sind, wißt ihr, nicht billig,
Darum Zahlt ihr für den Tanz auch willig.

Um den ersten Tanz ich selber bitte,
Tu den Gulden in des Tellers Mitte.
Bis dahin sich jeder sein Geld hole,
Spiel, Zigánj, dem jungen Paar zum Wohle!

(Bodroghalász, Komitat Zemplén)


Abb. 220. Sitzordnung an der Hochzeitstafel.
Nemespátró, Kom. Somogy. 1930–40.
1. Bräutigam, 2. Braut, 3. Brautwerber, 4. Brautführer, 5. Vater des Bräutigams, 6. Mutter des Bräutigams, 7. Vater der Braut, 8. Mutter der Braut, 9. Brautjungfer, 10. Brautführerin, 11. Verwandte des Bräutigams, 12. Verwandte der Braut

Neben dem Teller steht eine Flasche Wein mit Gläsern, und nun beginnt der Tanz so richtig. Nachdem der erste Brautführer seine Tour mit der Braut beendet hat, ruft er: „Die Braut ist zu verkaufen!“ Darauf kommen der Reihe nach die Beistände und die Verwandten, werfen Geld auf den Teller und tanzen einige Runden mit der Braut. Wer sie dem nächsten Tänzer übergibt, trinkt ein Glas auf ihre Gesundheit. Nachdem schon jedermann – selbst die größeren Kinder – mit der Braut getanzt haben, legt der junge Ehemann eine größere Summe auf den Teller und beendet mit seiner Frau den Tanz. Inzwischen zählt der erste Brautführer die gespendete Summe, die meist ansehnlich ist und dem jungen Paar den Beginn des Ehelebens erleichtern soll. Dieser Hochzeitsbrauch verbreitet sich neuerdings immer mehr auch in städtischen Kreisen.


289. Beim Hochzeitsmahl
Homokmégy, Kom. Bács-Kiskun

Früher dauerte das Hochzeitsfest – natürlich bei den wohlhabenderen Bauern – zwei bis drei Tage, und es gehörten noch zahlreiche, nach ethnischen und geographischen Gruppen verschiedene Sitten und Bräuche dazu. Wenn gegen Ende der Feier noch Gäste blieben, die durchaus nicht weggehen wollten, wurde ihnen ein Ausfegebrei serviert, und der Beistand oder der erste Brautführer gab ihnen zu verstehen, daß die Hochzeit zu Ende sei:

Hat das Fest euch gut gefallen,
Jetzt ist Schluß, das gilt euch allen.
Seht, die Wirtin kommt deswegen,
Euch, die Letzten, auszufegen.

(Hertelendyfalva, ehem. Komitat Torontál)

Dann blieben nur noch alle die beisammen, die an der Gestaltung der Hochzeitsfeierlichkeiten beteiligt gewesen waren, um ein von der jungen Frau gekochtes Essen zu verzehren und ihr mit folgendem Segensspruch zu danken:
Mag die Haube gehn in Stücke –
Dich erhalte Gott zum Glücke!

Selbst diese recht vordergründige Schilderung erlaubt es, verschiedene Schlüsse zu ziehen. So unter anderen den, daß diese Bräuche, Glaubenselemente, dramatischen Überlieferungen und vom Volk gedichteten oder übernommenen Texte eng miteinander zusammenhängen. Sie bilden ein außerordentlich kompliziertes System. Die historische Forschung hat bewiesen, daß sich die Hochzeitsbräuche immer mehr in Richtung auf das Essen, Trinken und Lustigsein verschoben haben. Dies bedeutet auch, daß die Veranstaltung einer so kostspieligen Hochzeitsfeier nur unter wohlhabenden Bauern möglich war, selbst wenn die mitgebrachten Geschenke und der Brauttanz eine große Einnahmequelle waren. Wenn ärmere Bauern dennoch große Hochzeitsfeiern veranstalteten, luden sie sich eine Schuldenlast auf, die sie oft ein halbes Leben lang nicht abtragen konnten.
Mark Twain sagte einmal:
"Eine Lüge ist bereits dreimal um die Erde gelaufen, bevor sich die Wahrheit die Schuhe anzieht."
Blasius
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Das Begräbnis

Brauchtum und Glaubenswelt um Tod und Begräbnis sind bei weitem nicht so mannigfaltig und vielschichtig wie um die Hochzeit, doch haben sich hier ältere Bräuche bewahrt, die in vielen Fällen außerordentlich archaische Züge tragen. Der Grund ist offensichtlich: Man ließ die Bräuche unverändert aus Furcht vor dem spukenden Geist des Verstorbenen. Daß sich dennoch nur weniges erhalten hat, liegt wohl am Einfluß der verschiedenen Kirchen, die bestrebt waren, alle mit ihren religiösen Normen nicht zu vereinbarenden Überlieferungen auszumerzen.

Die auf Tod und Begräbnis bezüglichen Wörter der ungarischen Sprache sind sehr alt. So sind hal, halál = sterben, Tod, sír = Grab, temet, temető = begraben, Grabfeld (Friedhof) ugro-finnischen, koporsó = Sarg und vielleicht auch tor = Leichenschmaus alttürkischen Ursprungs, um nur die wichtigsten zu erwähnen. Die Bestattungsweise der Ungarn um die Landnahmezeit ist von archäologischen Ausgrabungen her gut bekannt. Mit dem vornehmen, wohlhabenden Krieger wurden der Kopf und die vier Beine seines Pferdes, der Sattel, die Steigbügel und die Zügel mit dem Gebiß begraben. Von seinen Waffen bekam der tote Krieger in der Regel den Bogen und die dazugehörigen Pfeile mit ins Grab. Auch das Schwert war ein Machtsymbol, ebenso die Taschen mit den reich verzierten Deckplatten, von denen bis jetzt dreiundzwanzig Exemplare ausgegraben wurden. Aus der Zahl der Pfeilspitzen kann man auf die Stellung des Verstorbenen schließen. Auch Frauen konnten Pferdeköpfe und -beine als Grabbeigaben erhalten, allerdings nur sehr selten und wahrscheinlich nur dann, wenn sie nach dem Tode ihres Mannes die Rolle des Familienoberhauptes übernommen hatten. In den Gräbern der einfachen Leute stieß man nur auf {G-673.} bescheidene Funde. Eines aber war allen Gräbern gemeinsam: die ostwestliche Ausrichtung. Das Antlitz des Toten war der aufgehenden Sonne zugewandt. Die Bestattungssitten wiesen viele verwandte oder übereinstimmende Züge mit denen der mittelasiatischen und südosteuropäischen Steppennomaden auf, und einige der Bräuche haben sich fast bis zum heutigen Tage erhalten.

Nachdem sich das Christentum in Ungarn gefestigt hatte, verschwanden die Beigaben alsbald aus den ungarischen Gräbern. Die Bestattung erfolgte mit religiöser Zeremonie, und um diese überwachen zu können, wurde der Tote nun auf dem Hof um die Kirche (dem Kirchhof) beigesetzt. Das früher als Opfer dargebrachte Pferd oder eine Ablösung in Geld fielen der Kirche zu. Unter dem Einfluß des Christentums wandelten sich die Bestattungszeremonien der Ungarn und begannen sich immer mehr denen der benachbarten Völker anzugleichen. Von den alten Überlieferungen haben sich nur Fragmente erhalten.

Man glaubte einst, daß gewisse Anzeichen den Tod im vorhinein ankündigen: Wenn ein Bild oder Spiegel von der Wand fällt, die Uhr ohne Grund stehenbleibt, der Hund winselt oder wiederholt Schreie von Käuzen um das Haus herum gehört werden, dann stirbt ein Mitglied der Familie. Wenn der Zustand des Kranken hoffnungslos erschien, rief man den Geistlichen. Bei den Katholiken versah der Priester, den Kranken mit den Sterbesakramenten, bei den Kalvinisten reichte ihm der Geistliche das Abendmahl. Dann wurde unter dem Hauptbalken auf einer Strohmatte ein Sterbebett hergerichtet, in der Annahme, daß der Tod in Erdnahe leichter sei. Die Fenster wurden geöffnet, die Türen der Schränke und die Schubladen dagegen geschlossen, um der Seele den Weg aus dem Haus freizugeben und sie daran zu hindern, sich irgendwo im Inneren zu verstecken. Wenn der Tod eingetreten war, band man dem Toten das Kinn hoch und drückte ihm die Augen zu. Auf beide Lider legte man je eine Münze oder eine eigens zu diesem Zweck bereitete Tonscherbe. Die Uhren wurden angehalten, die Spiegel bedeckt und jedes Feuer im Hause gelöscht und erst wieder angezündet, wenn der Tote aus dem Haus gebracht worden war. Schlafende wurden aufgeweckt, und der Tod des Bauern oder der Bäuerin wurde im Stall, ja sogar im Bienenhaus verlautbart.

Dann wird der Verstorbene für das Begräbnis hergerichtet. Die Leiche wird gewaschen, was meist Aufgabe der Frauen, ohne Rücksicht auf das Geschlecht des Toten, ist. Das Waschwasser wird an einem abgelegenen Ort ausgeschüttet und die Seife weggeworfen. Der männliche Verstorbene wird rasiert und sein Gesicht an einzelnen Stellen mit Essig und Wein betupft, damit der natürliche Teint möglichst erhalten bleibt. Dann wird er in seinen besten Anzug gekleidet, Schuhe oder Stiefel allerdings werden ihm nicht mehr angezogen. Die Bahre wird in der Mitte des Zimmers gerichtet ; sie besteht aus zwei bis drei über Stühle oder Böcke gelegten, mit Tüchern bedeckten Brettern, kann aber auch – je nach Sitte – wie ein aufgeschlagenes Bett sein. An anderen Orten wird der Tote auf einem Bett aufgebahrt, doch muß das Bett mit dem Hauptbalken gleichlaufend gestellt sein. Auf den Leib des Verstorbenen wird, um das Aufblähen zu verhindern, eine Sichel gelegt, was um so bemerkenswerter ist, als in einigen Gräbern aus der {G-674.} Zeit der Landnahme – aber nur in Frauengräbern – Sicheln gefunden wurden.

Es ist schicklich, den aufgebahrten Verstorbenen zu besuchen; Verwandte, Bekannte und Nachbarn kommen, sich von ihm zu verabschieden. In der Hajdúság (Debrecener Gegend) pflegt man mit folgendem Spruch einzutreten: „Gott möge die traurigen Hinterbliebenen trösten und den Verstorbenen in sein Himmelreich aufnehmen.“ Die Angehörigen antworten: „Gott erhöre den Wunsch.“ Dann wird das Gesicht des Toten besichtigt; seine guten Eigenschaften, seine Menschlichkeit und seine Taten werden gerühmt. Schließlich wünscht man gute Nacht und entfernt sich.

Die Verwandten, die älteren Frauen und Männer bleiben beisammen, sitzen um den Toten herum, beten und singen in der Regel religiöse Lieder oder zu kirchlichen Melodien gedichtete Strophen. Die Männer sondern sich nach einer Weile ab, sprechen miteinander und spielen Karten, aber schlafen dürfen sie nicht. Dann werden die Angaben zusammengestellt, die dem Geistlichen oder dem Kantor beim Begräbnis die Predigt erleichtern sollen. Einige Aufzeichnungen zeugen davon, daß früher während der Totenwache auch verschiedene Spiele gestattet waren. Eine aus Westungarn stammende Beschreibung aus dem Jahre 1818 deutet darauf: „Zur Totenwache nehmen die Burschen einen Klapperstock mit sich; das ist ein Stock, von dem das eine Ende vier- bis sechsmal gespalten ist, und damit schlagen sie sich zum Spaß gegenseitig auf den Rücken. Einem werden die Augen zugehalten, und ein anderer gibt ihm zwei bis drei Schläge. Wenn der Geschlagene errät, wer ihn geschlagen hat, kommt dieser an die Reihe; wenn er ihn nicht errät, wird er wieder niedergehalten und geschlagen, bis er den Betreffenden errät.“ In anderen Fällen wieder werden unter der Wirkung des getrunkenen Weins oder gar Schnapses nicht nur religiöse, sondern auch weltliche Lieder gesungen, besonders solche, die der Verstorbene selbst gerne gesungen hat.
Mark Twain sagte einmal:
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Blasius
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Die Sarganfertigung

Für den Sarg nimmt der Tischler das Maß mit einer Rute oder einem Schilfrohr. Der Sarg verjüngt sich gegen das Fußende und wird in der dem Alter des Verstorbenen entsprechenden Farbe gemalt: weiß für Kinder, blau für junge Leute, braun für Leute in mittlerem Alter und schwarz für Alte. In einzelnen Gegenden wurden die Särge junger Leute – ebenso wie ihre Truhe im Zimmer – reich mit Tulpen und Rosen bemalt. Das unter den Kopf des Toten geschobene Kissen wurde mit den bei der Anfertigung des Sarges abgefallenen Spänen gefüllt.


Abb. 221. Konstruktion des Sarges.
Désháza, ehem. Kom. Szilágy, um 1950

Dem in den Sarg gelegten Toten gab man verschiedene Gegenstände mit. Männer bekamen ihre Pfeife, den Tabaksbeutel, manchmal ihren gewohnten Stock, Hirten ihre Peitsche, oft ihr Rasiermesser und ihre Seife mit. Frauen erhielten als Beigabe oft Nadeln, Zwirn und Tücher, während Kinder ihr Spielzeug, ihre Bücher und Hefte mitbekamen. Oft werden auch Obst und andere Lebensmittel nicht vergessen, und es gibt Fälle, in denen dem Toten eine Bibel, ein Gebetbuch, Medaillen, Statuetten und Rosenkränze vor die Füße gelegt werden.

Eine große Rolle bei der Verabschiedung des Toten spielt die Glocke. Bei den Katholiken wird in der Stunde des Todes die kleinste, die Totenglocke, geläutet. Bei den Protestanten kündigt das Läuten von einer oder mehreren Glocken das Geschlecht des Toten an. Die Glocken laden die Gemeinde zum Begräbnis ein, und ihr Läuten begleitet den Toten auf seinem letzten Wege bis zum Friedhof. Deswegen tragen sie – wie die Glocken in ganz Europa – die Inschrift: „Ich rufe die Lebenden, ich beklage die Toten“

Vor Beginn der Beerdigung wird der Tote mit dem Leichentuch bedeckt, in das für das Gesicht eine kleine Öffnung geschnitten wird. Dann wird der Sarg geschlossen, vernagelt und mit den Füßen voraus aus dem Haus getragen, wobei an der Schwelle dreimal daran geklopft wird, damit der Tote nicht zurückfinde. Auf dem Hof wird der Sarg auf ein Gestell – eigentlich zwei Böcke – gestellt, das im Volksmund „St. Michaels Pferd“ heißt. Zu Füßen des Sarges wird für den Geistlichen und den Kantor ein kleiner Tisch aufgestellt. Um den Sarg stehen je nach dem Grad der Verwandtschaft die Familienmitglieder: auf der einen Seite die Männer, auf der anderen die Frauen in der Reihenfolge der Sippe. An vielen Orten werden zwei Tücher auf den Tisch gelegt, die nach der Zeremonie dem Geistlichen und dem Kantor geschenkt werden.
Mark Twain sagte einmal:
"Eine Lüge ist bereits dreimal um die Erde gelaufen, bevor sich die Wahrheit die Schuhe anzieht."
Blasius
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Die Totenklage


290. Totenklage
Magyarszovát, ehem. Kom. Kolozs, Rumänien

Ein unerläßlicher Teil der Beerdigung war bis in die letzte Zeit die Totenklage. Lautes Klagen ließen nur die Frauen hören, obgleich die Kirchen diese Sitte streng verboten haben. Inhalt der Totenklage ist das Gedenken der zusammen verlebten Zeit und das Abschiednehmen, immer in der ersten Person.


291. Totenklage
Rimóc, Kom. Nógrád

Außer dem religiösen enthält die Totenklage auch viel realen Inhalt. Die Form ist ungebunden und paßt sich der momentanen Lage an. Die Totenklage wird teilweise gesungen, teilweise nur rezitiert. Solche Klagelieder wurden schon bei den Soldaten- und Auswandererliedern erwähnt, natürlich mit entsprechend geändertem Inhalt. Auch in der Ferne verstorbene Verwandte werden beklagt, wie folgendes Klagelied zeigt:

O teurer Sohn, lieber Sohn!
Oh, welch traurigen Brief hat uns die Post gebracht!
Oh, wo mußtest du in so großer Ferne enden!
Nur Vögel flattern über dir!
Teurer Sohn, lieber Sohn, mein teures Kind!
O alleswissendes, kluges, verständiges Kind,
Wo soll ich dich suchen, wo kann ich dich finden?
Oh, wie weit bist du von mir, der Tod hat dich mir geraubt!
Nur Gewehrkugeln flogen über dir, teures Kind, lieber Sohn!
O Gevatterin, Gevatterin, wie unglücklich ist dieser Morgen!
Oh, wie traurig scheint die Sonne auf uns herab, wie traurig ist unser Morgen, liebe Gevatterin!
O teures Kind, lieber Sohn, wo soll ich dich suchen, wo soll ich dich suchen?
Nicht klopfst du mehr an meinen Zaun!
Wen soll ich von nun an und immerfort morgens und abends erwarten: „Liebe Mutter, komm doch mal eben heraus!“
Oh, an wen soll ich mich wenden, wen soll ich suchen, auf wen soll ich warten, nach wem aus schauen jeden Morgen, von wo er kommt?
Niemanden habe ich mehr!
O teures Kind, liebes Kind, mein kluger verständiger Sohn!
Oh, der Tod hat dich mir geraubt, wie weit bist du!
Niemand begleitet deinen Sarg, nur die Vögel fliegen über dir, lieber, teurer Sohn!
Oh, als du noch vor einem Jahr hier warst, sagtest du, als wir Zusammen die Rüben hackten: {G-678.} „O Mutter, wie schön rötlich sind diese Kartoffeln, nächstes Jahr, wenn wir’s erleben, werden wir solche setzen.“
Oh, aber du hast es nicht erlebt, mein teures Kind, daß du die schönen rötlichen Kartoffeln genießen konntest!
Oh, wie hast du dich gefreut, als du sie gesehen hast!
Wie hast du dich gewundert: „O liebe Mutter, solche habe ich noch nie gesehen!“
An wen soll ich mich wenden, mit wem soll ich sprechen, mein teures Kind!
Oh, wehe mir, du mein vater- und mutterloser kleiner Vogel, weit in der Ferne, wo dich niemand kennt!
O mein Gott, mein Gott, wo soll ich dich suchen, wo kann ich dich finden?

(Cigánd, Komitat Zemplén)
Mark Twain sagte einmal:
"Eine Lüge ist bereits dreimal um die Erde gelaufen, bevor sich die Wahrheit die Schuhe anzieht."
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Notenbeispiele von Totenklagen


Abb. 222. Notenbeispiel.
Teil einer Totenklage.
Cigánd, Kom. Zemplén, 1957


Abb. 223. Notenbeispiel einer Totenklage.
Kapospula, Kom. Somogy, 1961

Die meisten Totenklagen sind zwar Improvisationen in Prosa, doch wiederholen sich in ihnen gewisse ständige Ausdrücke und Wendungen:

„Oh, was habe ich verschuldet, Herrgott, daß du mir meinen vielgeliebten Mann genommen hast? O Ferkó, Ferkó Buda! Oh, was soll aus mir werden, was soll ich tun? Oh, wer tröstet mich? Oh, da sagt man noch, schön ist das Leben einer Witwe – oh, es ist sehr traurig! O weh, ich bin wie ein verlassener Vogel, der von Zweig zu Zweig fliegt. Oh, ich kann auf den Friedhof gehen, dort der Erde mein Leid klagen, sie sagt es niemandem weiter. O mein Gott, mein Gott, wohin soll ich mich wenden, wohin soll ich gehen? Keinen Tröster hab ich, keinen Fürsprecher mehr. Weh mir! Weh mir, o weh, o weh, o weh, o weh usw.“
(Kapospula, Komitat Somogy)

Schon in dieser Totenklage finden sich zusammenklingende Zeilen, es gibt aber auch viele Klagelieder, die den Schmerz der Zurückgebliebenen in Reimen beklagen. Die folgende gereimte Totenklage hat Zoltán Kodály im Jahre 1917 aufgezeichnet:
Bin allein geblieben
Wie das Stoppelfeld,
Dessen grünen Schmuck
Die Sichel hat gefällt.

Danke dir, danke dir,
Tausendmal gepriesen
Seist du für die Güte,
Die du mir erwiesen.

Ruhe sanft, ruhe sanft
Bis zu dem Gerichtstag.
Der Herr Jesus kommt bald,
Länger nicht säumen mag.
Kommen ist Herr Jesus
Mit reichlichem Segen.
Wird mit seinem Balsam
Alle Wunden pflegen.

(Nagyszalonta, ehem. Komitat Bihar)


Abb. 224. Notenbeispiel einer Totenklage.
Nagyszalonta, ehem. Kom. Bihar, 1917

Einzelne Totenklagen können ihrer Melodie nach bis auf die Zeit zurückgeführt werden, bevor die Ungarn in ihre jetzige Heimat einzogen (9. Jh.), und in den Formeln und Wendungen kann man ebenfalls auf großes Alter hinweisende Bruchstücke finden. Im 16. und 17. Jahrhundert wurden schon Totenklagen aufgezeichnet, die den jüngsten ganz ähnlich waren.
Mark Twain sagte einmal:
"Eine Lüge ist bereits dreimal um die Erde gelaufen, bevor sich die Wahrheit die Schuhe anzieht."
Blasius
icon01.gif Bräuche und Feste im Lebenslauf der ungarischen Menschen - 04.08.2009, 19:44:05

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Die Beerdigung

Nach der Totenklage und der kirchlichen Zeremonie im Sterbehaus bildet sich der Trauerzug. In einem großen Teil des ungarischen Sprachraums wird der Sarg, über Stangen gelegt, von Verwandten und Freunden zu Fuß getragen, während er hauptsächlich in der Großen Ungarischen Tiefebene samt dem Grabholz oder Grabkreuz mit dem Wagen zum Friedhof gefahren wird. An vielen Orten war es üblich, nicht direkt auf den Friedhof zu gehen, sondern vor der Kirche stehenzubleiben und ein Kirchenlied zu singen. Im vorigen Jahrhundert wurde in einigen Gegenden der Sarg in die Kirche getragen, und der Geistliche predigte dort, während an anderen Orten der Sarg während der kirchlichen Zeremonie auf dem Kirchhof gelassen wurde. An der Spitze des Totenzuges gingen der Geistliche und der Kantor, manchmal auch die Kinder, die den ganzen Weg über sangen. Dem Sarg folgten die unmittelbaren Angehörigen, jetzt schon Frauen und Männer zusammen.


292. Leichenzug
Magyarszovát, ehem. Kom. Kolozs, Rumänien

Wurden junge Burschen, Mädchen oder Brautleute zu Grabe getragen, hatte die Zeremonie manche Ähnlichkeit mit einer Hochzeit. Beistände und Brautführer gab es zwar keine, wohl aber Brautjungfern und Burschen, die wie für eine Hochzeit gekleidet an den beiden Seiten des Sarges schritten. Das war zum Beispiel Sitte bei den Tschangos von Hétfalu (ehem. Komitat Brassó). Während der Sarg zwischen dem Spalier der Mädchen und Burschen hinausgetragen wurde, sangen diese:

Schöne(r) Braut (Bräutigam) ich selber war
Auf dem Weg hin zum Altar.
Ach, die lieben Hochzeitsgäste
Kamen zu gar traurigem Feste.
Knospe war ich rein und klar,
Als ich noch am Leben war.
Meine Zeit ist nun verflossen,
In den Sarg bin ich geschlossen.
Rosenstock war ich im Garten,
Mutter pflegte treu den Zarten.
Auf blühn ist mir nicht geglückt,
Denn der Tod hat mich gepflückt.
Ist hinter mir hergegangen,
Hat mich mit dem Netz gefangen,
Hat zu leben mir verboten.
Also bringt mich zu den Toten.


293. Totenklage
Átány, Kom. Heves
Mark Twain sagte einmal:
"Eine Lüge ist bereits dreimal um die Erde gelaufen, bevor sich die Wahrheit die Schuhe anzieht."
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Grabformen

Das Grab wurde am Tag oder am Vortag der Beerdigung ausgehoben, eine Arbeit, die in den meisten ungarischen Dörfern bis in unsere Tage gemeinsam verrichtet wird. Für Verwandte, Freunde und Nachbarn gehört es sich, mitzutun. Dabei werden sie mit Branntwein, Speck und Brot in der einfachsten Weise bewirtet. Die Gräber sind im ungarischen Sprachraum von verschiedener Form. Das einfachste Grab besteht aus einer 2 bis 2,5 Meter tiefen Grube. Bei den meisten Familiengräbern werden in die beiden Seiten der Grabwände in Bodenhöhe den Maßen eines Sarges entsprechende Höhlungen gegraben. An anderen Orten wird der auf den Boden der Grube gestellte Sarg mit Brettern bedeckt, um später einen zweiten Sarg darauf stellen zu können. Bevor die Gräber in Reihen angeordnet wurden, orientierte man sie ost-westlich, aber auch den Reihen gab man tunlichst dieselbe Richtung. Wenn das Grab die Nacht über offenbleiben sollte, wurde es mit beblätterten Zweigen und Ästen zugedeckt, um den bösen Geistern in der Dunkelheit den Zutritt zu verwehren.


Abb. 225. Grabformen.
a) Einfaches Grab mit Grabholz; b–c) Grab mit Vordergrube. Désháza, ehem. Kom. Szilágy; d) Vorder- und Seitengrube. Sámson, ehem. Kom. Szilágy, um 1950

Im Tor des Friedhofs bleibt der Trauerzug eine kurze Zeit stehen. Von hier aus wird der Sarg – unter allen Umständen von den Männern – bis zum frischen Grab getragen und auf die quer darüber gelegten Stangen gestellt. Dann folgen die Verabschiedung und die verschiedenen kirchlichen Zeremonien, endlich wird der Sarg langsam an Seilen ins Grab hinuntergelassen. Dann werfen die Verwandten, oft aber alle Anwesenden eine Handvoll Erde auf den Sarg, an manchen Orten auch die Tücher, mit denen sie ihre Schmerzenstränen getrocknet haben, um die Trauer nicht mit nach Hause zu nehmen. An manchen Orten war es auch Sitte, einmal um das Grab herumzugehen.

Auf die Grabhölzer, Kreuze und Grabsteine wurden seit dem vorigen Jahrhundert nicht nur die Namen der Verstorbenen geschrieben, sondern man gedachte in kürzeren oder längeren Versen auch ihres Lebens und ihrer Vorzüge. Die nur halbvolkstümlichen Strophen bewahrten in vielen Fällen ältere Überlieferungen:

Lange ich gelitten hab,
Jetzt umschließt mich dieses Grab.
Finden Ruh die müden Glieder.
Lebt nun wohl, wir sehen uns wieder.

(Kömbrő, Komitat Szatmár)

Auch Parodien von Grabholzstrophen gab es, und zum Spaß erfundene Gedichte wurden bei abendlichen Gesprächen und Zusammenkünften gerne vorgetragen.
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Kocsis
Das Leichenmahl

Den Abschluß der Beerdigung bildete das Leichenmahl, die Bewirtung der Trauergäste. Das Leichenmahl wurde im Mittelalter auf dem Friedhof selbst abgehalten, und Erinnerungen an diese Sitte fanden sich da und dort noch in unserem Jahrhundert. Schon im Jahre 1279 verbot die Synode von Buda Unterhaltungen und Tänze auf Friedhöfen. Auch später wurden solche Veranstaltungen von den Kirchen immer mißbilligt. In einem Text vom Beginn des 17. Jahrhunderts steht zu lesen: „Die jährlich für die Verstorbenen veranstalteten Leichenmahle sind Werke des Teufels.“ Um die Mitte des Jahrhunderts geht Comenius noch weiter: „Mit Gejohle beim Leichenmahl wird das Lob des Verstorbenen gesungen.“ Tanz auf dem Friedhof hat sich an Orten erhalten, wo bei dem Begräbnis von Mädchen oder Burschen die einzelnen Momente des Hochzeitszuges nachgebildet werden sollten. An den Leichenschmaus auf dem Friedhof erinnert auch die Sitte, die Bettler am Eingang des Friedhofs mit Speise und Trank zu bewirten.

294. Leichenmahl (Tisch der Männer)
Magyarszovát, ehem. Kom. Kolozs, Rumänien


295. Leichenmahl (Tisch der Frauen)
Magyarszovát, ehem. Kom. Kolozs, Rumänien

In unserem Jahrhundert wurde das Leichenmahl im Trauerhaus abgehalten. Man aß Brot und Speck, an anderen Orten Kuchen. In einzelnen Dörfern wurden gekochte Speisen, in der Regel Paprikafleisch, aufgetragen. zum kalten Essen trank man Branntwein, zum warmen Wein. Auch für den Verstorbenen wurde ein Gedeck aufgelegt. Die Zeit verging bei stillem Gespräch und Gesang, dann wurden – unter dem Einfluß des Branntweins und Weins – auch heiterere Lieder gesungen. Meist waren es die Lieblingslieder des Verstorbenen. Wenn das Leichenmahl in vergnügte Unterhaltung auszuarten drohte, erhob sich einer der älteren Verwandten, und die Gesellschaft ging – alle auf einmal – auseinander.
Mark Twain sagte einmal:
"Eine Lüge ist bereits dreimal um die Erde gelaufen, bevor sich die Wahrheit die Schuhe anzieht."
Blasius
icon01.gif Bräuche und Feste im Lebenslauf der ungarischen Menschen - 04.08.2009, 19:52:33

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Kocsis
Der Allerseelentag


296. Allerseelentag auf dem Friedhof
Tiszaörs, Kom. Szolnok

Die Farbe der Trauer war früher Weiß oder eine andere helle Farbe. Die Sitte schwarzer Trauerkleidung verbreitete sich vom Westen aus und erreichte durch Vermittlung der höheren Klassen auch die Bauern. Frauen in weißer Trauerkleidung konnte man vor einem halben Jahrhundert noch in der Landschaft Ormánság sehen. Für die Dauer der Trauer gab es unter den ungarischen Bauern keine einheitlichen Normen oder zeitliche Grenzen. Jedenfalls wurde des Verstorbenen mehrere Jahre lang an seinem Namens- und an seinem Todestag gedacht, der Vergnügungen enthielt man sich dabei. Später gedachte man sämtlicher Toter der Familie am Karfreitag und brachte ihre Gräber in Ordnung, ebenso zu Allerseelen (2. November), {G-684.} wenn die Gräber sowohl von Katholiken als auch von Protestanten mit Blumen und Kerzen geschmückt wurden. Zu dieser Zeit kommen die Familienmitglieder aus der Ferne möglichst nach Hause: Die Lebenden sollen sich mit den Toten treffen. Allerseelen zu begehen ist in der Gegenwart nicht nur in den Dörfern, sondern auch in den Städten bereits eine allgemeine Erscheinung, die ihren religiösen Charakter teilweise schon verloren hat.
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Mark Twain sagte einmal:
"Eine Lüge ist bereits dreimal um die Erde gelaufen, bevor sich die Wahrheit die Schuhe anzieht."
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