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balaton-service.info - Das Forum für Ungarn / A k t u e l l e s / Was man gerade erfahren hatt / Literatur
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Markus J. Marschner
icon01.gif Literatur - 02.11.2007, 13:38:14
Skype: markusmarschner
2385 Posts - Magyar Vagyok
carpe diem
Literatur
Laszlo Vegels serbische Szenen
Kulturjournal - Mirko Schwanitz Novi Sad an einem Dienstagnachmittag. Es tut sich was in der Fußgängerzone. Eine Gruppe hat sich um fünf Straßenmusikanten versammelt, die zahlreichen Straßencafes sind gut besucht, die Stadt gibt sich weltoffen Doch das, so meint der serbisch-ungarische Schriftsteller, Laszlo Vegel, sei nur noch der Schatten einer längst vergangenen Zeit.

"Meine Heimatstadt Novi Sad, die Hauptstadt der Vojvodina, ist eine große Verliererin des 20. Jahrhunderts. Zuerst wurden die Juden vertrieben, dann, 1945, die hier lebenden Deutschen", erzählt Vegel. "Den größten Verlust erlitt die Kultur hier aber erst 1990, als fast die gesamte Generation junger serbischer Schriftsteller auswanderte. Die Vojvodina ist heute keine multikulturelle Region mehr und bei den letzten Wahlen wurden auch hier die Nationalisten der Radikalen Partei gewählt."

Monokulturelle Flurbereinigung in Serbien
Sensibel und akribisch genau beobachtet und kommentiert Laszlo Vegel seit langem die monokulturelle Flurbereinigung in Serbien. Der 1941 geborene Autor selbst ist eines ihrer Opfer: "Gleich nach dem Machtantritt Milosevics wurde mir gekündigt. Ich war damals Dramaturg am Ungarischen Theater in Novi Sad. Auch serbische Kollegen wurden entlassen, allein wegen ihrer multikulturellen Ansichten. Solche Ideen waren nicht mehr angesagt."

Bis heute, so schreibt Laszlo Vegel, in seinem neuen Buch "Exterritorium", werde die Idee der ethnisch-kulturellen Reinheit der Vojvodina weiter verfolgt. Das alte, gebildete Bürgertum habe die Stadt längst verlassen, damit aber zugleich die junge Generation "stoppelbärtiger Lokalpatrioten" ausgeliefert.

Einsam in der Heimatstadt
"Es gibt hier wieder ein paar junge Autoren und sie leiden unter der derzeitigen Situation. Aber keiner spricht darüber, was dieses Leiden ausgelöst hat. Sie meinen, die Aufarbeitung der serbischen Geschichte sei nicht ihre Aufgabe. Und so fühle ich mich in meiner Heimatstadt sehr einsam." Eine Einsamkeit, die den Blick von Laszlo Vegel schärft, als "heimatloser Lokalpatriot aus Erfahrung" bezeichnet er sich selbst.

"In den 1960er Jahren waren meine Bücher in Ungarn verboten. Wir durften nicht in das Land unserer Muttersprache reisen. Als sich dann die Situation in Ungarn zu verändern begann, wurden meine Werke plötzlich in Serbien verboten." Vegel habe sich wie jemand gefühlt, "der zwar zwei Beine hat, aber stets gezwungen war, auf einem Bein herumzuhüpfen."

Vermischung der Kulturen als Reichtum
Während die von Vegel beschriebenen stoppelbärtigen Lokalpatrioten nach einem Nationalstaat schreien, hat er sich mit einer Identität beschäftigt, die ihren Reichtum gerade aus der Vermischung der Kulturen bezog: "Wahrscheinlich besteht meine Identität in der fortwährenden Suche nach ihr. Weil ich immer an der Grenze lebte, gehörte ich nirgendwo dazu, weder zu den literarischen Kreisen Ungarns, dem Land meiner Muttersprache, aber auch nicht zu den literarischen Kreisen Serbiens. So nahm ich die Krankheiten beider Seiten vielleicht genauer war, die da heißen: Nationalismus, Populismus, Hass und Misstrauen."

Vor allem aber schreibt Vegel an gegen die Lügen, die den alten und neuen Machthabern wieder leicht von den Lippen gehen und auf denen so mancher Serbe heute sein Weltbild baut. Dem setzt er seine präzisen Schilderungen und seine genauen Beobachtungen entgegen, etwa, wenn er sich in seinem Buch an den kleinen Markt gleich unter seinem Fenster erinnert: "Jeder hier kennt jeden und weiß vieles von ihm. Dort wo ich wohne gibt es einen Markt. Zu der Zeit als die serbische Armee in der Krajna kämpfte, gab es dort Schmuck, Gemälde, Autos, Fahrräder. Und alles war von den Kroaten gestohlen. Jeder wusste davon. Jeder. Aber heute leugnen es alle."

Auforderung zum genauen Hinhören
Doch es geht Laszlo Vegel in seinem Buch "Exterritorium - Szenen vom Ende des Jahrtausends" um mehr als eine Beschreibung der jüngsten serbischen Vergangenheit. Wenn er darin über jene Zeit schreibt, in der "um Mitternacht die Hähne krähten" und im "Schein der Raketen die Sauerkirschen im nachbarlichen Garten leuchteten", dann ist dies auch eine Auforderung zum genauen Hinhören und Hinschauen.

"Das ist es, worüber ich in 'Exterritorium' schreibe", präzisiert der Autor. "Über die Suche nach der Wahrheit. Die Menschen hier glauben immer noch fast alles, was von der Macht veröffentlicht wird. Viele sind daher bis heute der festen Überzeugung, Serbien hätte den Krieg gegen die NATO gewonnen. Manchmal empfinde ich die Situation wirklich als absolut aussichtslos. Aber ich will einfach nicht aufgeben. Niemand soll mich für einen Feigling halten."

Buch-Tipp
Laszlo Vegel, "Exterritorium - Szenen vom Ende des Jahrtausends", aus dem Ungarischen von Akos Doma, Matthes & Seitz Berlin

Quelle
orf.at
Wirklich gute Freunde sind Menschen, die uns ganz genau kennen, und trotzdem zu uns halten.

Marie von Ebner-Eschenbach

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